Welche Werte uns wichtig sind. Welche Rolle die Religion dabei spielt. Eine Spurensuche im Unternehmensverbund Neue Arbeit.


Mitarbeitende aus dem Unternehmensverbund Neue Arbeit geben Antworten auf die Frage, von welchen Werten sie sich leiten lassen und was sie bewegt, im schwierigen Feld der Arbeitshilfe zu arbeiten. Das Leitbild der Neuen Arbeit steht fest auf dem Fundament des Christentums, zugleich sind bei der Neuen Arbeit Menschen aus allen Weltreligionen und über 60 Nationen tätig. Erfahren Sie, welche Werte den Mitarbeitenden wichtig sind und welche Rolle die Religion dabei spielt.


Gelebte Werte
im Unternehmensverbund
Neue Arbeit

Ja, es gibt zwar das Leitbild der Evangelischen Gesellschaft, das auch für die Neue Arbeit gilt und an dem die Neue Arbeit intensiv mitgewirkt hat. Da steht eigentlich alles drin, alle Werte an denen sich die Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten, Partner, Freunde und Förderer orientieren können.

Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn schlussendlich sind es die konkreten Mitarbeitenden, die den Arbeitsalltag gestalten. Mit ihrer ganzen Persönlichkeit, ihrer Erfahrung oder Nichterfahrung, ihrer Authentizität, ihrem Maß an Güte und Liebe, aber auch ihren Unvollkommenheiten und Fehlern, wirken sie auf die Begegnungen mit den Menschen für die die Neue Arbeit da ist.

Darum haben wir uns für diese Broschüre auf Spurensuche nach den gelebten Werten im Unternehmensverbund Neue Arbeit gemacht. Wir haben Mitarbeitende aus allen Unternehmensbereichen und Hierarchieebenen daraufhin befragt, was sie antreibt, von welchen Werten sie sich leiten lassen und was sie bewegt, im schwierigen und prekären Feld der Arbeitshilfe zu arbeiten.

Die Neue Arbeit ist als Sozialunternehmen mitten im Markt tätig und gleichzeitig Teil regionaler, nationaler und internationaler Förderstrukturen. Die Strukturen im Spannungsfeld von Gemeinnützigkeit und Gewerblichkeit sind sehr komplex und bergen viel Konfliktpotential. Kann ein Unternehmen, das Nächstenliebe im Leitbild stehen hat, immer wertschätzend agieren, wenn es den Zwängen der Ökonomie und des Marktes ausgesetzt ist? Was unterscheidet ein diakonisches Sozialunternehmen von einem ganz normalen Unternehmen? Und was unterscheidet ein diakonisches Sozialunternehmen von einem Sozialunternehmen ohne kirchliche Anbindung?

Das Leitbild der Neuen Arbeit steht fest auf dem Fundament des Christentums und zugleich sind bei der Neuen Arbeit Menschen aus allen Weltreligionen und über 60 Nationen tätig. Wir bedanken uns bei den Mitarbeitenden aus dem Unternehmensverbund für ihre Bereitschaft, uns sehr persönliche Einblicke zu gewähren. Sie geben uns ein lebendiges Zeugnis von den Werten, die die Neue Arbeit tatsächlich prägen. Wir wünschen den Leserinnen und Lesern eine wertvolle Lektüre.

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Statements von Mitarbeitenden im Unternehmensverbund Neue Arbeit

Ellen Keune sagt, dass Sie dem Leben gegenüber dankbar ist und mit dem Bewusstsein lebt, privilegiert zu sein. Das irritiert ein wenig, weil sie mit einer Körper- und Sehbeeinträchtigung zur Welt kam. Hätte sie da nicht allen Grund zu klagen und undankbar zu sein? Aber dass Dankbarkeit und Privileg relativ sind, erschließt sich aus Ihrer Biografie.

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Es begann damit, dass der Arzt unmittelbar nach ihrer Geburt die Körperbehinderungen exakt diagnostizieren konnte, was bedeutete, dass die richtigen Therapien von Anfang an in Anwendung gebracht wurden. Es ging weiter mit der Kindergärtnerin, die auf Anfrage der Eltern sagte: „Komm wir probieren es mal mit der Ellen. Ich habe zwar keine Ahnung wie das funktioniert, ich hatte noch nie ein Kind mit Behinderung aber probieren wir es mal.“

Es setzte sich in der Grundschule in Schorndorf fort. Wenn sich nur ein Lehrer oder eine Lehrerin gegen die Aufnahme von Ellen Keune ausgesprochen hätte, dann, so sagt sie: „Wäre morgens der Schulbus gekommen und ich wäre nach Markgröningen in die Schule für behinderte Kinder gekommen.“ Ihre Eltern sind immer ein Jahr vor entscheidenden Wechseln losgegangen und haben gefragt: „Funktioniert das, und wenn ja wie?“ Sie sagten ihr auch immer wieder: „Streng dich an!“, denn ihre Befürchtung war es, dass ihre Tochter in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung landet.

So ging das Glückskind seinen Weg, machte Abitur, eine Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen und studierte Soziale Arbeit. Sie ist zudem ausgebildete Heilpraktikerin für Psychotherapie und hat eine Ausbildung als Moderatorin für persönliche Zukunftsplanung. Heute ist sie Beraterin in der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstelle im Rems-Murr-Kreis und zusätzlich als Dozentin an einer Fachschule für Heilerziehungspflege. Man könnte sagen sie hat Inklusion erlebt bevor Inklusion in aller Munde war.

Sie selbst spricht von Integration. Denn Integration heißt, dass man mitmachen und dabei sein darf, solange man sich anpasst und mithalten kann. In einer Inklusiven Gesellschaft können alle teilhaben, ungeachtet irgendeiner Eigenschaft. Das bedeutet: Alle dürfen mitmachen und dabei sein und bekommen dafür die Unterstützung, die sie brauchen. Die Dankbarkeit, die sie in der Rückschau auf Ihr eigenes Leben empfindet, trägt sie in der Beratung und kommt den Ratsuchenden zugute, weil sie immer weiß, dass es auch so gut laufen kann wie bei ihr.

Auf die Frage, warum sie diese Dankbarkeit in der Beratung leitet, antwortet sie:„In der Regel kommen die Leute ja nicht zu mir, um mir zu sagen wie toll ihr Leben ist, sondern eher anders herum. Ich glaube, dass es bei jedem Menschen anders laufen kann, dass es nicht unbedingt besser aber anders werden kann. Ich habe auch Menschen in der Beratung, die sagen: ‚Mein Leben ist so und so, es geht gar nicht anders, ich habe ja gar keine andere Wahl‘. Und ich glaube es gibt immer eine Wahl. Wenn man etwas tut, wäre die zweite Wahl gewesen es nicht zu tun. Ich sage nicht, dass das unbedingt besser wäre, aber man hätte immer die Wahl und die Möglichkeit selber aktiv zu sein.“

Ellen Keune berät vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen. Sie ist den Menschen zugewandt und kann gut zuhören. Sie hat Witz, ist klar und strahlt trotz ihrer 35 Jahre eine gewisse Lebensweisheit und Leichtigkeit aus. Sie weiß wo ihre Grenzen sind und wo sie sich abgrenzen möchte. Sie zeigt, wo angebracht, auch ihre eigene Verletzbarkeit und gibt unumwunden zu, was sie alles nicht kann und spricht aus, wo sie selbst Unterstützung braucht.

Sie sagt: „Ich hole mir, wenn es sein muss auch Unterstützung vom Ratsuchenden, in dem ich zum Beispiel zu ihnen sage: ‚Das kann ich nicht lesen, können sie es mir mal vorlesen?‘“ Sie will auf Augenhöhe beraten und nicht die Superheldin sein, wie Menschen mit Behinderung auch manchmal dargestellt werden, die es in eine gewisse Position gebracht haben.

„Ich bin ein Kind der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung. Von daher ist Selbstbestimmung schon ein zentraler Wert, den ich sehr wichtig finde. Viele verwechseln Selbstbestimmung mit Selbstständigkeit. Selbstständigkeit ist, wenn man Dinge selber tut. Ich habe die Geschichte von einem behinderten Menschen gehört, der zwei Stunden früher aufgestanden ist, um sich seine Socken selber anzuziehen. Er brauchte eine Stunde zum Anziehen und dann eine Stunde zum Ausruhen weil er danach völlig fertig war. Er wurde von allen motiviert, das zu schaffen. Die Wahrscheinlichkeit war sehr groß, dass er lebenslang auf Unterstützung angewiesen sein würde. Ich würde sagen: „Ja, es ist seine eigene Entscheidung, wenn er es selber unbedingt möchte und es ihm wichtig ist seine Socken selber anzuziehen, kein Problem. Aber Selbstbestimmung würde für mich die Freiheit bedeuten zu sagen: ‚Hey ich brauche fürs Socken anziehen Unterstützung, das dauert dann zwei Minuten, bis diese Socken dran sind und spart dann zwei Stunden um etwas anderes produktives zu machen, wo ich meine Gaben, Stärken, Talente und Fähigkeiten nutzen und einbringen kann.‘“

Selbstbestimmung und Angewiesenheit widersprechen sich für Keune nicht, zumal wir alle doch auf Andere angewiesen sind, um zu überleben. So kann sie in der Beratung Räume für die Ratsuchenden öffnen, die zu mehr Freiheit und Selbstbestimmung führen.

Sie verweist darauf, dass man Selbstbestimmung in manchen Heilungsgeschichten in der Bibel findet. Sie sagt: „In der Regel heilt Jesus ja nicht einfach so, sondern er fragt, was möchtest du das ich dir tue. Ich finde das ist auch schon eine Art von Augenhöhe, die er da so herstellt. Denn er könnte auch einfach heilen ohne zu fragen. Aber vielleicht möchte die Person ja gar nicht geheilt werden, sondern etwas ganz anderes …“

Und sie erwartet von der Neuen Arbeit als diakonischem Unternehmen, dass zum einen die Mitarbeitenden die Klient/-innen mit dieser Haltung Jesu fragen. Zum anderen, dass das Unternehmen die Mitarbeitenden fragt: „Was braucht ihr um gut arbeiten zu können?“ und versucht das dann auch umzusetzen. Der christliche Glaube schwingt in ihrer täglichen Arbeit einfach immer so mit.

Sie sagt: „Ohne Glauben würde ich allen erzählen, wie toll das Leben ist, auch wenn die Leute es grad nicht brauchen können. Ich glaube ich wäre dann einfach nur Optimistin. Als Christin habe ich mehr Hoffnung als Optimismus. Optimisten verstrahlen öfters mal die Idee: „Morgen wird alles gut“. Das habe ich nicht, aber ich weiß, dass es besser wird, und dass, wenn es jetzt noch nicht gut ist, irgendwann besser wird, im Sinne der Ostergeschichte. Das heißt für mich, wenn nicht in diesem Leben, dann danach. Und ich glaube, dass man hier praktisch, ja das Leben davor schon feiern kann. Mit der Gewissheit, dass es danach auf jeden Fall noch besser wird. Dass selbst, wenn es einem supertoll gut geht, es danach auf jeden Fall noch besser wird“.

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Roberto Anaclerio kann gut mit Menschen. Eine Kollegin sagt über ihn: „Ich glaube er ist so einer, wenn ich um Mitternacht Hilfe brauche und ihn anrufe, dann ist er da, egal was kommt. Und ich glaube das machen nicht alle. Er fühlt sich zuständig. Ich finde, er wird auch oft unterschätzt und wegen seines Glaubens manchmal belächelt. Aber er hat eine Gelassenheit, mit der er darüber steht.“

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Roberto Anaclerio ist Sozialdiakon und arbeitet seit 2015 bei der Neuen Arbeit als Sozialarbeiter und Sozialpädagoge. Er schaut auf einen ungewöhnlichen beruflichen Lebenslauf zurück. Nach der Hauptschule hat er bei der Post eine Ausbildung zur Dienstleistungsfachkraft gemacht und dort viele Jahre als Austräger gearbeitet. Parallel hat er in der Abendschule die Mittlere Reife und Fachhochschulreife nachgeholt, und dann an der Fachhochschule studiert.

Er erinnert sich: „Ich wollte Diakon werden, weil ich meinen Glauben in die Tat und in die Praxis umsetzen wollte. Das war schon immer mein Wunsch. Ich habe mich mit 22 bekehrt. Gläubig war ich schon immer, aber so richtig gläubig war ich erst mit 22, wo ich gesagt habe, jetzt schaue ich, dass ich Jesus nachfolge. Also nicht bloß in die Kirche gehen und Gott einen lieben Mann sein lassen im Himmel, sondern so richtig Jesu Nachfolge.“

Er sagt weiter: „Ich habe erkannt, dass ich eine Gabe habe, mit Menschen gut umzugehen. Und da habe ich entdeckt, dass Gott mich dort haben möchte. Und dann habe ich gesagt: „Dann mache ich das zu meinem Beruf. Ich habe mich auch schon früher sozial engagiert. Aber das war irgendwie nur so nebenher und das hat mir gestunken. Ich wollte einen Beruf, in dem ich christlich agieren kann. Und das ist, glaube ich, jetzt gelungen. Ich glaube, dass Jesus mich jetzt da hat, wo er mich haben will. Hier bin ich richtig“.

Gott und den Nächsten lieben steht für ihn auf einer Ebene. Er ist Sozialdiakon geworden, weil er Gott und den Menschen dienen will. Und das kann er als Sozialarbeiter bei der Neuen Arbeit besser als als Austräger bei der Post, weil er hier ganz andere Möglichkeiten und Handlungsspielräume hat, um den Menschen zu helfen.

Er sagt: „Jesus sagt ja, was ihr dem Geringstem meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Und das praktiziere ich, diese Nächstenliebe. Da wird Gottes Liebe fassbar. So kann Gott mich anders segnen, als ich das als Briefträger könnte. Ich fühle mich dabei getragen. Das ist was Geistliches, das kann man gar nicht mit Worten fassen. Und jemand, der nicht glaubt, hat dieses Erlebnis nicht. Das ist was Geistliches, das ist eine andere Welt einfach. Man ist dann im Geist verbunden mit Gott.“

Anaclerio bietet den Menschen, die er berät, an mit ihnen zu beten, insofern sie es wollen. Er sagt: „Man darf nichts aufzwingen, denn Gott lässt uns ja auch die freie Wahl. Aber ich habe einige, die wollten beten und haben gesagt, das Gebet im Einzelgespräch, das wir gemacht haben, das hat einiges in ihnen bewegt.“

Auf die Frage, wo das Christliche bei der Neuen Arbeit sichtbar wird, antwortet er: „Was für mich eine hohe Stellung hat, ist, dass der Chef, also der Herr Hentschke, dass er auch gläubig ist. Das ist für mich das Wichtigste, dass der Geschäftsführer selbst Christ ist. Wenn das nicht so wäre, wäre das komisch. Das ist für mich sehr ausschlaggebend.“ Anaclerio würde bei der Neuen Arbeit gern eine Andacht halten, bei der die Kolleginnen und Kollegen zusammentragen, was ansteht und man dafür betet.

Er sagt: „Ich glaube, dass Gott hier mehr ins Spiel kommen muss. Die Arbeit würde besser gehen, wenn wir Gott mit dieser geistigen Dimension mehr reinlassen würden. Ein Humanist glaubt nicht an Gott und macht es aus eigener Kraft. Der Christ erkennt Grenzen an und sagt, wenn es nicht weitergeht: ,Gott jetzt mach Du das.‘ Wo es bei den Menschen aufhört, da fängt es bei Gott an. Das ist der Unterschied zwischen Sozialarbeit und Diakonat.“

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Ingrid Dorsch war über 20 Jahre als Diplom-Sozialarbeiterin bei der Neuen Arbeit, querbeet in vielen Bereichen und Projekten. Heute befindet sie sich im Ruhestand, ist aber weiterhin für die Neue Arbeit tätig. Sie coacht junge Sozialarbeiter/-innen und Sozialpädagogen/-innen, außerdem betreut sie Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen, die im Sozialhilfebezug im sogenannten Zuverdienst arbeiten.

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Was machen sie gern und was können sie gut?“ sind erste Standardfragen von Dorsch an neue Klientinnen und Klienten. Sie will nicht, dass sich die Menschen, die sie berät, nur in ihrer Armut und ihrer Bedürftigkeit erleben und resignieren. Sie will die Menschen darin unterstützen, dass sie eine gewisse Zufriedenheit mit ihrem Leben erreichen, soweit das eben möglich ist. Damit meint sie nicht das stille Erdulden unhaltbarer Zustände, sondern das Gegenteil: Sie will immer einen Weg aufzeigen, das Leben lebenswerter zu gestalten, eine realistische Haltung einzunehmen, die Situation nüchtern anzuschauen und die Gelegenheiten, die sich bieten zu ergreifen.

Sie sagt: „Es braucht Unterstützung zur Eigenständigkeit und Information: ,Was habe ich für ein Problem, was kann ich machen und wer hilft mir dabei?‘ Manche brauchen dauerhaft Hilfe, manche mehr, manche weniger. Es geht aber auch darum zu sagen: ,Die Situation ist so, ich habe das und das im Monat zur Verfügung, davon kann ich mir das und das leisten und das und das aber nicht‘. Es geht auch um Zufriedenheit mit dem, was da ist. Und es gibt Unterstützung, man muss nur wissen wo.“

Dorsch meint weiter: „Meine Haltung gegenüber den Menschen, die zur Neuen Arbeit kommen und irgendeinen Bedarf haben, ist nicht die, dass das arme Menschen sind. Aber es gibt viele Menschen, die sind in einer Situation, die ist ganz besch… Und da ist es meine Aufgabe zu gucken, wo kann man die Situation bei den Klienten/-innen verbessern und verändern. Ich gebe Informationen und Unterstützung. Ich höre erstmal zu, aber ich erwarte auch von den Menschen, dass sie selber was für sich tun. Ich glaube, dass wir oft vergessen, den Menschen Eigenverantwortung zuzugestehen. Mit der Haltung ‚Ach, du Armer‘, da macht man Menschen ja zu Armen und erzieht sie dazu, bedürftig zu bleiben und begegnet ihnen nicht auf Augenhöhe.“

„Ich glaube, dass mein Ansatz den Menschen gegenüber ein guter Ansatz ist. Zu sagen: ‚Frau Maier, hallo, was haben Sie denn schon gemacht, was haben Sie für eine Idee, wie kann man das verändern, was haben Sie schon probiert und was nicht?‘ Einfach so zu bohren und zu gucken und dem Menschen was mitzugeben. Bei allen geht es nicht, aber bei vielen. Es geht darum, etwas ganz Konkretes zu bewegen. Nicht, dass ein Mensch, der in Hartz IV ist, plötzlich Millionär wird, sondern dass er für sich entdeckt: ,Ah, ich kann meine Möglichkeiten erweitern, vielleicht einen 400 Euro-Job machen oder eine Beschäftigung in Teilzeit oder Vollzeit.‘ Oder er entdeckt, dass man vieles auch anders machen kann, dass es viel Gutes gibt, was nichts kostet, dass man auch mal was lesen und an kostenlosen Kulturangeboten teilnehmen kann, die einen bereichern und weiterbringen. Für jeden sehen die persönlichen 100 Prozent anders aus, aber jeder soll sich bemühen, dass er die erreicht und ich helfe dabei“, sagt Dorsch. Sie berichtet von einer alleinerziehenden Frau mit zwei Kindern, die beklagt, dass sie keine Ausbildung hat und nichts kann. Ihr entgegnet Dorsch, dass es eine enorme Lebensleistung ist, zwei Kinder großgezogen zu haben und dass sie darauf sehr stolz sein kann. Sie will den Menschen, die sie berät, helfen den Blickwinkel zu ändern und auch wertzuschätzen was da ist.

Das calvinistische Menschenbild, dass Gott die Tüchtigen mit Reichtum und Erfolg belohnt und die anderen mit Armut bestraft, weil sie sich nicht genügend angestrengt haben, ist Dorsch fremd. „Ich bin dafür, dass man dauerhafte öffentlich geförderte Beschäftigung für die ermöglicht, die aufgrund ihrer vielfältigen psychischen und physischen Einschränkungen auf dem regulären Arbeitsmarkt chancenlos sind“, sagt sie.

Sie reduziert das Berichtswesen auf das Notwendigste. Dafür nimmt sie sich mehr Zeit für die Teilnehmenden, sie investiert dort, wo sie Entwicklungspotenzial sieht, sie unterstützt die Menschen, die sie jetzt mehr als andere brauchen. Diese Gestaltungsspielräume hat sie sich immer genommen und die Neue Arbeit hat ihr das auch immer ermöglicht. Es gibt vieles, was sie nervt: Die zunehmende Dokumentation, die steigende Fluktuation der Mitarbeitenden, die fehlende Wertschätzung der Sozialarbeit, der steigende Druck und das tägliche Zack Zack.

Das diakonische Diktum „Tue den Armen Gutes“ empfindet sie als unzeitgemäß, ausgrenzend, diskriminierend und nicht auf Augenhöhe. „Ich finde, ich tue jemandem nichts Gutes, wenn ich ihn nur bestärke in seiner Armut. Da kriege ich auch im Freundeskreis immer Streit, dann frage ich: ‚Brauchst Du jemanden, dem es schlechter geht, damit du dich noch besser fühlst?‘“

Sie ist früh aus der Kirche ausgetreten. Das heißt aber nicht, dass sie an nichts glaubt oder keine Werte vertritt, die im Christlichen zu finden sind. Sie glaubt an die Kraft zur Veränderung, die jedem Menschen innewohnt. Sie schätzt die enorme Innovationskraft der Neuen Arbeit, dass es im Sozialunternehmen trotz permanentem Mangel an Geld, Personal, Räumen und Plätzen immer irgendwie weitergeht. Aber sie weiß auch um die negativen Begleiterscheinungen. Sie sagt: „Ich bewege mich in diesem Spannungsfeld mit meiner eigenen Haltung. Man muss auch für sich selbst sorgen und sich selbst wie dem Nächsten Gutes tun. Ich schaffe das und darum bin ich noch an Bord.“

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Martin Tertelmann ist Fachbereichsleiter der Abteilung „Presse und Medien“, Initiator der „Denkfabrik – Forum für Menschen am Rande“ und der „Straßen-Universität Stuttgart“. Er wuchs im Münsterland in einer Arbeiterfamilie auf und absolvierte zwei Berufsausbildungen: als Buch- und Offsetdrucker und als Krankenpfleger. Nach verschiedenen Stationen in Druckereien und Werbeagenturen und einer Zeit der Selbstständigkeit kam er 2010 zur Neuen Arbeit. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.

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Eine winzig kleine Gemeindebücherei in einem Dorf am Fuße des Teutoburger Waldes, ehrenamtlich betrieben von einer älteren Dame, stillte erstmals seinen außerschulischen Hunger nach Bildung und Wissen. Gerne hätte er Abitur gemacht und studiert, was ihn viele Jahre lang mit Wehmut begleitete. „Meine Eltern waren keine Bildungsbürger, sie waren auch nicht dumm, aber Bildung spielte bei uns nicht so eine riesige Rolle“, sagt er.

Und so war nach der mittleren Reife erstmal Schluss mit der Schule und es folgte eine Ausbildung zum Buch- und Offsetdrucker. Tertelmann erzählt, dass er dort gelernt hat Verantwortung zu tragen, weil riesige Mengen Papier durch die Maschine rauschten und es auf ihn ankam, wenn er für seine Arbeit geradestehen musste. „Das mit der Verantwortung, das geht einem in Fleisch und Blut über, das verlernt man nie wieder“, erinnert er sich.

Von da an führte ihn das Leben an andere Orte des Lernens, zu Seminaren und Vorträgen der „Industriegewerkschaft Druck und Papier“, zum Zivildienst in eine Kirchengemeinde mit Bibelstunden und zu kirchlicher Bildungsarbeit. „Gerade die Bibelgespräche haben mich angezogen. Ich hatte damals wie heute einen totalen Bildungshunger, das zieht sich durch mein ganzes Leben. Alles hat irgendwie mein Wissen erweitert und so habe ich nach und nach einen gewissen Überblick bekommen“, erzählt Tertelmann.

Die Begeisterung für Büchereien besteht bis heute. Als er das erste Mal eine Stadtbücherei mit tausenden Büchern betritt, ist er überwältigt. „Und so bin ich eigentlich immer, wenn ich in eine neue Stadt gezogen bin, zuerst in die Büchereien. Sie sind bis heute zentrale Orte für mich. Bildung und lebenslanges Lernen sind für mich sehr wichtige Werte“, sagt er. Wie wichtig ihm Bildung ist, und diese auch für prekäre Schichten erreichbar zu machen, zeigt sich im neuesten Herzensprojekt von Presse und Medien, der „Straßen-Universität Stuttgart“, in der Menschen aus allen Schichten Zugänge zu Bildung finden können.

Nach seinem Zivildienst arbeitete Tertelmann ein Jahr als Volontär auf den Philippinen, um bei der Betreuung vietnamesischer Bootsflüchtlinge zu helfen. „Was ich da gelernt habe, war der Wert von Arbeit und sinnvoller Beschäftigung. Es gab da immer wieder Phasen, wo keine Flüchtlinge ankamen, wo nichts zu tun war. Da saß ich am schönsten Traumstrand mit Palmen und hatte nichts zu arbeiten, das war einfach öde. Da habe ich mich manchmal wirklich wieder zurück in die miefige Druckerei gewünscht. Denn es hilft auch der schönste Palmenstrand nichts, wenn man keine erfüllende Aufgabe hat“, erinnert er sich.

Nach vielen Jahren als Berater in Werbeagenturen war er der Werbung für Parfüm, Mode und Autos überdrüssig. „Irgendwann konnte ich es einfach nicht mehr, auch wenn ich dort das Kommunikationshandwerk gelernt habe.“ Nach Jahren der Selbstständigkeit kam er zur Neuen Arbeit.

„Ich habe mich hier von Anfang an gefühlt wie ein Fisch im Wasser, es hat einfach von Anfang an gepasst“, sagt Tertelmann. „Ich habe gemerkt, dass ich mit meiner Professionalität im sozialen Kontext Gutes bewirken und gestalten kann.“ Er setzt sich gern für Menschen am Rande der Gesellschaft ein, weil er die Betroffenen einfach mag, und das spürt man. Er sagt: „Ich bin ja auch selber jemand, der Dinge erlitten hat. Auch wenn man das erstmal nicht denkt. Ich bin nicht der Typ, der sagt, ich bin jetzt hier und ich freue mich Euch zu helfen, oder so. Ich mag es einfach, mit den Leuten in unseren Projekten Dinge an den Start zu kriegen und sich gemeinsam darüber zu freuen, wenn man Erfolg hat.“ Aber sein Anspruch an Qualität, führt auch dazu, sagen zu müssen: „Das war jetzt nichts, da müssen wir nochmal ganz neu ran.“ Man müsse auch Dinge ansprechen, die nicht so schön sind. „Wenn Sie Menschen weiterbringen wollen oder an deren Vorwärtskommen beteiligt sein wollen, müssen auch unangenehme Dinge gesagt werden.“

„Bei allem, was wir bei der Neuen Arbeit an Sinnvollem für die Menschen machen, ist für mich Qualität immer ein bleibender Wert. Ansprüche zu haben, sich nicht gleich mit dem Nächstbesten zufriedenzugeben, haben für mich einen unheimlich hohen Stellenwert. Und da gehört auch Teamwork dazu. Ich rückversichere mich gerne bei anderen, frage nach deren Wahrnehmungen und Einschätzungen. Denn ich bin begrenzt, das weiß ich. Ich kann nicht alles sehen und manchmal sehe ich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Als Fachbereichsleiter muss ich natürlich Entscheidungen fällen. Aber bevor ich diese Entscheidungen fälle, bespreche ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen, weil ich weiß, dass Qualität gute Teamarbeit und viele verschiedene Sichtweisen braucht.“

Aber natürlich gibt es auch Enttäuschungen und schwierige Situationen mit Menschen bei der Neuen Arbeit. „Immer wieder stelle ich mir die Frage, wie ich damit umgehen soll. Wie gehe ich mit schwierigen Menschen um, die mich enttäuschen und mir das Leben schwer machen. In der freien Wirtschaft kann man einfach sagen: ‚Mach Dich vom Acker!‘ Aber das muss bei der Neuen Arbeit anders sein und auch für mich muss es anders sein als Mensch, als Christ. Menschen brauchen eine zweite und eine dritte Chance. Ich muss da eine andere Haltung finden und das bringt mich zu den Evangelien. Die geben mir die Richtung vor. Aber es reicht mir nicht einfach zu sagen, ‚Jesus sagt Du musst 7 mal 70 mal verzeihen‘, also mache ich das auch so, ohne zu fragen. Die Antwort, muss aus mir selbst kommen, es ist meine Verantwortung Klarheit zu gewinnen, ich muss es selbst verstehen und erkennen.“

Tertelmann besucht regelmäßig Gottesdienste und meditiert. Er braucht das zur Ausrichtung. Da ist etwas, das sich nicht intellektuell erklären lässt. „Ich gehe als ein anderer Mensch raus als ich reingegangen bin. Das ist auch nicht immer so, aber insgesamt kommt da meine Kraft her“, sagt er.

Ein Zitat aus Jesaja 42,3 begleitet Tertelmann schon lange: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht, wird er nicht auslöschen.“ Er bezieht es auf die Menschen bei der Neuen Arbeit, aber auch auf sich selbst. Er sagt: „Irgendwie sind wir alle geknickte Rohre und glimmende Dochte, immer gefährdet und gleich bedürftig vor Gott, der uns aber nicht zerbricht und auslöscht, sondern uns erhält.“

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Burim Sabani ist 41 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann hat er bei Feinkost Böhm in Stuttgart gemacht, danach bei Tengelmann am Hölderlinplatz den Lebensmittelmarkt geleitet, bis die Neue Arbeit den Markt im Jahr 2010 übernommen hat. Burim Sabani ist Bezirksleiter im CAP-System und wird Ende 2023 die Fachbereichsleitung mit der Gesamtverantwortung für 18 CAP-Lebensmittelmärkte übernehmen. In CAP-Lebensmittelmärkten arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen.

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Auch wenn Burim Sabani in Deutschland aufgewachsen ist, liegen seine Wurzeln in Albanien und im Kosovo, mit traditionell starker Familienbindung. Er sagt: „Ich bin von Mutter und Vater als Moslem erzogen worden, ich habe aber den Koran nie gelesen. So wie sie mich erzogen haben, so fand ich das richtig. Meine Eltern und meine Frau sind sehr religiös und beten fünfmal am Tag. Ich bin der einzige zu Hause, der nicht fünfmal am Tag betet. Ich lebe die Werte und das finde ich wichtig.

Meine Mutter hat immer gesagt: ‚Respektiere deine Familie, respektiere deine Nachbarn, respektiere die Leute, mit denen du zusammenarbeitest. Tu keinem weh. Wenn du jemandem helfen kannst, dann hilf, wenn du nicht helfen kannst, dann lasse es. Aber wenn du die Möglichkeit hast, dann hilf.‘ Und damit bin ich bis heute sehr gut gefahren. Ich bin Gott sei Dank in der Lage, dass ich anderen Menschen helfen kann. Wenn man mehr als der andere hat, egal ob Bruder, Schwester oder Nachbar, wenn man merkt, dass der andere das nötig hat, sollte man teilen, zumindest den Teil, den man verkraften kann, so hilft man der Gemeinschaft. So bin ich erzogen worden und nach diesen Werten handle ich jeden Tag.“

Das Reden über Werte ist Sabani nicht wichtig, das richtige Handeln ist für ihn entscheidend. So räumt er auch als Bezirksleiter Ware ein oder kassiert, wenn Not am Mann ist. Er sagt: „Ich habe damit gar kein Problem. Wenn ich sehe, dass irgendwo Bedarf ist, dann fülle ich auch Ware auf, ich mache da keinen Unterschied, nur weil ich eine Führungsposition habe.“ Vorbild ist für ihn die Christin und gebürtige Albanerin Mutter Teresa: „Die hat nicht zugesehen und gesagt: ‚Ich bin eine Topchristin‘, die hat gehandelt.“ Die Neue Arbeit bewertet er als ein gutes und soziales Unternehmen. Er selbst hat während einer längeren Krankheitsphase viel Unterstützung und Zuspruch von seinen Vorgesetzten erhalten.

„Und dann kam mein Chef und hat nach mir gesehen, das hat mich sehr beeindruckt. Er hat gesagt, ich soll mir alle notwendige Zeit nehmen, bis ich genesen bin. Das gibt es in einem anderen Unternehmen nicht. Kein Vorgesetzter wird zu Ihnen nach Hause kommen, wenn Sie krank sind. Ich fand das eine Mega-Geste.“

Er arbeite gerne bei der Neuen Arbeit, weil im CAP-Bereich an erster Stelle der Mensch steht und das auch so gelebt werde, und erst dann käme die Wirtschaftlichkeit. Dann zählt er viele Beispiele von Menschen auf, die sich in den CAP-Märkten persönlich entwickelt und aus Tiefs herausgearbeitet haben. Er arbeitet gern im Unternehmensverbund, weil er konkret Menschen helfen und etwas bewegen kann. Aber das war nicht von Anfang an so.

Die CAP-Lebensmittelmärkte sind sogenannte Inklusionsbetriebe, in ihnen arbeiten mindestens 40 Prozent Menschen mit einer Schwerbehinderung. Sabani, der lange Jahre bei Feinkost Böhm und Tengelmann gearbeitet hat, berichtet von einem längeren Lernprozess in der Zusammenarbeit mit Schwerbehinderten. Er sagt: „Als ich zur Neuen Arbeit gekommen bin, habe ich zu Beginn den Fehler gemacht, dass ich alles allein gemacht habe, weil ich den Menschen mit Behinderung nichts zugetraut habe. Ich habe mich gegenüber dem Unternehmen verantwortlich gefühlt, dass der Laden läuft, dass die Ware bereitsteht, weil die Kunden einkaufen wollen. Die Behinderten haben da nur gestört.“

Sabani hat dann bald gemerkt, dass es nicht gut ist, den Menschen mit Behinderung nichts zuzutrauen und sie mit einfachen Arbeiten wie aufräumen und Hof kehren zu beschäftigen. Dass er die Mitarbeitenden machen lassen muss, weil Sie in einem Supermarkt arbeiten wollen. Auf die Frage, wo sich für ihn das Bewusstsein gedreht hat, antwortet er: „Das war ein Lernprozess. Nach vielen Gesprächen mit meinen Vorgesetzten habe ich gemerkt, dass die Neue Arbeit den Lebensmittelhandel nur als Plattform nutzt, um Menschen mit Behinderung ins Arbeitsleben zu integrieren. Ich habe gesagt: ‚Gut, wenn das so ist, CAP-Märkte sind ja ein komplett anderes System als andere Lebensmittelmärkte, dann steht da tatsächlich der Mensch im Mittelpunkt.‘ Das Wirtschaftliche ist natürlich wichtig, ist die Basis, aber zuerst kommt der Mensch. Ich finde es mittlerweile auch richtig. Ich bin davon überzeugt, dass wenn man mit den Leuten spricht, wenn man mit ihnen gut umgeht, wenn man den Leuten die Möglichkeit gibt ihre Arbeit zu machen, dass wir dann auch wirtschaftlich viel erfolgreicher sind. Das ist einfach so. Weil Leute kaputtzumachen, ist leicht. Bei Discountern sehen sie ja keine Leute, die über 50 sind. Nicht weil die Leute es nicht wollen, sondern weil sie es einfach nicht schaffen. Und das ist bei uns anders. Bei uns wird eher verlangt, dass wir einen guten Job machen und dass wir gut miteinander umgehen.

Das heißt, dass das Obst trotzdem pünktlich um 7.30 Uhr bereit steht. Aber die Mitarbeitenden arbeiten mit mir mit. Ich habe zum Beispiel Schwerbehinderte den Hof kehren lassen, während ich das Obst und Gemüse eingeräumt habe. Weil ich davon überzeugt war, dass die das eh nicht packen.

Ich habe dann gemerkt und verstanden, dass mein Verhalten so nicht gewollt ist, dass das Unternehmen will, dass ich die Mitarbeitenden führe und in das Sozialsystem integriere. Dem Unternehmen ist es nicht so wichtig, ob der eine oder andere länger braucht, sondern dass die Arbeit gemacht wird und am Ende alle zufrieden sind. Und das ist machbar. Ich merke es ja zum Beispiel an der Krankheitsquote. Ich habe da einen Mitarbeitenden vor Augen. Der ist fast nie krank. Er ist froh, den Job zu haben. Den hätte ich früher nie an die Kasse gelassen, weil ich dachte, die Kunden machen vielleicht Ärger, weil schneller kassiert werden müsste. Heute weiß ich, dass Menschen mit Behinderung das auch lernen können und zum Teil sogar noch viel schneller sind. Aber das muss man erst verstehen. Ich bin davon überzeugt, dass die Marktleitungen, die neu zu uns kommen, das gleiche Problem haben wie ich damals, als ich von Tengelmann zur Neuen Arbeit kam.

Im Herzen war ich immer bei den Leuten, ich habe die Leute immer gemocht und auch immer respektiert. Ich habe nur eine Grenze geschaffen und das nicht zusammenbekommen. Jetzt ist es so, dass ich die Mitarbeitenden mitnehme. Wenn ich als Bezirksleiter heute in einem Markt bin, und ich merke, dass jemand nicht mehr hinterherkommt mit der Arbeit, dann gebe ich ihm die Zeit und zeige ihm, wie er es besser machen kann. Aber ich lasse sie machen. Früher habe ich gesagt, mach du was anderes, ich mache das geschwind fertig. Ich habe nicht geglaubt, dass der Mitarbeitende das nicht schafft, aber ich war davon überzeugt, dass die Sachen alle in einer bestimmten Zeit fertig sein müssen. Ich habe mein komplettes Handeln umgestellt. Ich habe um 5.30 Uhr angefangen zu arbeiten, weil ich erstmal alles allein aufbauen wollte. Heute fangen wir um 6 Uhr an und machen es zusammen. Ich musste einsehen, dass manche der Mitarbeitenden nur 70 Prozent meiner Arbeitsleistung bringen können. Ihre persönlichen 100 Prozent sind nur 70 Prozent meiner persönlichen 100 Prozent.

Wenn ich heute durch den CAP-Markt am Hölderlinplatz gehe, dann bin ich stolz drauf, dass dieser Markt so gut dasteht und dass die Leute meist gar nicht merken, dass da Menschen mit Behinderung arbeiten. Die geben ihre 100 Prozent und der Laden steht immer gut da und die Kunden sind zufrieden. Ich arbeite wirklich sehr gerne bei CAP.“

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Dorothea Ambros ist seit dem Jahr 2006 bei der Neuen Arbeit. Sie ist ausgebildete Industriekauffrau und hat nach Ihrer Elternzeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit, sogenannten Ein-Euro-Jobs, im Sozialunternehmen Neue Arbeit als Verwaltungskraft angefangen. Heute ist Sie als Personalfachkauffrau im Personalwesen tätig. Sie ist dort verantwortlich für die Abrechnung von annähernd 500 Mitarbeitenden und Maßnahmeteilnehmenden im Unternehmensverbund Neue Arbeit.

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Ich habe einen starken Glauben und der ist mir ganz wichtig. Bei der Erziehung meiner Tochter war es mir am Wichtigsten den Glauben zu vermitteln. Viele können nicht glauben. Mich belächeln Kollegen, wenn wir darüber sprechen, dass ich an Gott glaube, das kann ich auch verstehen. Aber ich brauche Gott, ich habe ihn erfahren in meinem Leben. Ich könnte auch meinen Glauben haben und wo anders arbeiten. Aber was ich hier toll finde, ist die Vielfalt der Mitarbeitenden und der Umgang miteinander auf Augenhöhe“, sagt Ambros.

Sie mag die Maßnahmeteilnehmenden und kommt gut mit Ihnen klar. Wahrscheinlich auch, weil Sie selbst wie viele andere, als Ein-Euro-Jobberin bei der Neuen Arbeit angefangen hat und weil Sie selbst einen ungeraden Lebenslauf mit vielen Widrigkeiten durchlebt hat. In der Rückschau auf Ihre eigene Biografie weiß Sie, dass es an entscheidenden Schnittstellen auch anders hätte laufen können. Das calvinistische Weltbild, in dem Gott die Tüchtigen mit Erfolg und Reichtum belohnt und die Untüchtigen mit Armut bestraft, weil sie sich nicht ausreichend angestrengt haben, ist ihr fremd. Glück, Strukturen und Herkunft sind für sie die entscheidenden Faktoren.

Der Satz aus dem Neuen Testament „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“ hat sie immer abgeschreckt, zu hoch und unerreichbar für sie. Bei einer Synagogenführung wurde sie darauf hingewiesen, dass es den Satz „Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst“ auch im Alten Testament gibt und dass es jüdische Übersetzer gibt, die den Text anders übersetzen und schreiben: „Liebe Deinen Nächsten, denn er ist wie Du.“

Sie sagt: „Das hat mir die Augen geöffnet, darüber habe ich einen Zugang gefunden und das versuche ich jetzt. Wenn mich jemand aufregt oder nervt, oder ich denke: ‚Warum versteht der oder die das denn jetzt nicht?‘, dann denke ich daran und dann habe ich wieder irgendwie Verständnis, und denke: ‚In seiner Lage wäre ich auch so, und ich selbst bin vielleicht auch manchmal woanders so‘. In der Hinsicht bringt mir der Glaube sehr viel“.

Die Gemischtheit der Mitarbeitenden bei der Neuen Arbeit, die sich durch alle gesellschaftlichen Schichten und Bildungshintergründe hindurchzieht, gefällt Ambros.

Sie arbeitet gern in einem Unternehmen, das Benachteiligten Chancen, Hoffnung und Perspektiven bietet und Menschen vom Rande der Gesellschaft mit ihren ganzen Problemen nicht gleich aufgibt.

Sie sagt: „Heute im Personalwesen bekomme ich mit, wie die Menschen mit ihren psychischen und physischen Einschränkungen arbeiten, wie oft sie krank sind, zu spät kommen und fehlen und trotzdem bleiben. Mir hat mal einer gedroht die Scheiben einzuschlagen, weil er gemeint hat er hätte nicht alle Stunden bezahlt bekommen, der wäre woanders sofort rausgeflogen. Ich habe ein bisschen mit ihm geredet und wir waren am Ende wieder best friends forever. Diese Menschen würden bei anderen Firmen niemals arbeiten können. Früher sind sie bei der Post oder der Bahn untergekommen, aber das ist heute nicht mehr so. Und dabei ist es so wichtig, dass die Menschen Arbeit haben. Allein wenn die Nachbarn sehen, dass man morgens zur Arbeit aus dem Haus geht und abends zurückkommt und sehen der oder die geht arbeiten, sie glauben gar nicht, was das für das Selbstbewusstsein der Menschen bedeutet“.

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Anselm Köchert ist seit 2005 Küchenchef im Kulturwerk. Der gelernte Koch hat in einem oberen Mittelklasserestaurant sein Handwerk gelernt und danach in über 30 Betrieben gearbeitet. Er ist Mitglied der Mitarbeitendenvertretung, Ausbilder und Mitglied der IHK-Prüfungskommission. Das Kulturwerk, das zum Sozialunternehmen Neue Arbeit gehört, bietet Langzeitarbeitslosen und chancenarmen jungen Erwachsenen innerhalb eines professionellen Kultur- und Gastronomiebetriebes die Möglichkeit zur beruflichen und sozialen Integration.

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Am Anfang seines Lebens hat Anselm Köchert Glück gehabt, ganz im Gegensatz zu den meisten Menschen, die im Kulturwerk anlanden und neue soziale und berufliche Perspektiven suchen. Er wird in eine intakte Familie hineingeboren. Mutter, Vater und Geschwister sind fest in die evangelische Kirchengemeinde im Heimatort eingebunden. Er erlebt viel erfüllende Gemeinschaft in der Kinderkirche, der Jungschar und bei gemeinsamen Ausflügen mit anderen Familien aus der Gemeinde. Dort saugt er Werte auf, die ihm solide ethische Leitplanken für das ganze Leben mitgeben.

Er sagt: „Das Christliche und die Gemeinschaft habe ich als Kind mitbekommen. Mein Vater hat lange Jahre die Jungschar geleitet, mein Bruder war auch mit dabei. Wir haben Familienfreizeiten mit 30 bis 40 Leuten gemacht, das war toll. Bei meinen Eltern war immer der Respekt da und ich wusste immer, ich kann zu meinen Eltern zurück, egal welchen Scheiß ich gemacht habe und so etwas im Hinterkopf zu haben ist wichtig und Gold wert.“

Wie dieses ethische Erbe wirkt und trägt, wird deutlich, als er das Elternhaus verlässt und seine Ausbildung zum Koch macht. Er berichtet: „Ja, in der Küche geht es ja schon oft ein bisschen rauer zu und das war nie meine Welt. Ich fand es immer ganz befremdlich, dass man sich so anschreien muss. Dort wo ich gelernt habe, sind die Teller und teils Messer geflogen, da ist man hin und wieder beschimpft worden mit Kraftausdrücken. Da habe ich nicht mitgemacht. Ich fand es auch albern, jemanden motivieren zu wollen, in etwas besser zu werden, in dem man ihn runtermacht. Ich glaube damals war mir das nicht so klar, aber jetzt so im Nachhinein, wenn ich so drüber nachdenke, war mir das immer schon zuwider. Es gab da ein Gespräch mit meinem damaligen Chef, wo ich ihm gesagt habe: ‚Wenn Sie noch einmal Arschloch zu mir sagen, dann gehe ich.‘ Ich fand das nie in Ordnung, dass man so miteinander redet.“

Nach der Ausbildung, nach Reisen in Indonesien und Zentralamerika und Einsätzen in über 30 Küchenbetrieben, kommt er über den Tipp eines Kollegen Ende 2005 ins Kulturwerk. Er erinnert sich: „Ich bin ja nur durch Zufall auf das Kulturwerk gestoßen. Mein Kollege hat gesagt, du bist doch so ein Sozialheimer, für Dich wäre das doch was im Kulturwerk. Dann habe ich mich beworben.

Armin Markmeyer, der Leiter des Kulturwerks hat zu mir am Anfang gesagt, jeder hat seinen Grund, warum er hier ist. Jahre später sagt Anselm Köchert: „Der einzige Grund, warum ich überhaupt noch in der Gastro bin, ist nur die Kombination aus meinem Beruf den ich gelernt habe, verknüpft mit dem Sozialen hier im Kulturwerk. Ich würde nie in einem normalen Restaurant arbeiten wollen.“

Köchert hat Verständnis und hohen Respekt vor den Menschen, die ins Kulturwerk kommen, die zum Beispiel eine Straftat begangen haben und oder Jahre der Sucht hinter sich haben. Er sagt: „Ich glaube an das Gute im Menschen. Ich gehe grundsätzlich nicht davon aus, dass der Mensch böse ist, nur weil er beispielsweise eine Straftat begangen hat. In jedem von uns steckt etwas, das die Flamme aufkeimen lässt, etwas wofür man brennt. Wenn ich dann höre, was diese Menschen teilweise mitgemacht haben, denke ich mir, wenn ich das erlebt hätte, ich wüsste nicht, was mit mir wäre. Entweder wäre ich tot, weil ich mich umbringen würde, oder ich hätte den Glauben an alles verloren. Der Mensch ist ein Überlebenskünstler. Ich finde es erstaunlich, dass die Leute trotz all dieser oft massiven negativen Erfahrungen immer noch eine gewisse Freude am Leben haben und dann in der Therapie das Geschehene aufarbeiten, nochmals durch alles durchmüssen, das ist hart, sehr hart, auch wenn eine gewisse Erlösung nur so geschehen kann.“ Köchert versucht den Menschen, die bisher nirgends Fuß fassen konnten, Freude an der Arbeit zu vermitteln. Von dort aus entwickeln sich für ihn weitere Tugenden wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und weiterführende soziale und berufliche Perspektiven. Die Arbeit findet im realen Arbeitsleben mit echten Kunden statt. Er sagt: „Wir müssen in der Gastronomie abliefern, jeden Tag. Das ist richtige Arbeit. Es ist nicht egal, ob der Brokkoli oder der Rostbraten verbrennt. Unsere Gäste kommen hierher, die wollen ein unterhaltsames Kulturprogramm sehen, die kommen zum Mittagessen oder einer Geburtstagsfeier und wollen gut essen und feiern. Dann unsere Leute, die meist jahrelang gar nichts gemacht haben, die teils in einer Sucht sind, diese dann auf einmal hinterm Buffet zu sehen, beim Ausgeben der Speisen und Gäste kommen und sagen, mmh das schmeckt aber lecker, dann kann man sagen ja und ich habe die Kartoffeln geschnitten, ich bin Teil von dem, was gerade hier steht. Ist das nicht großartig? Es ist eigentlich unglaublich, was wir hier für Veranstaltungen mit bis zu 2000 Essen machen, mit den Leuten, die auf der Straße rumgehangen haben, die am Bahnhof versifft rumgelaufen sind. Die gehen nach der Arbeit dann hier raus und sagen, ‚oh ich kann nicht mehr‘, aber innen drin ist die Erfahrung, ‚ich war dabei, das ist toll.‘“

Wenn Anselm Köchert über seine Auszubildenden spricht, kommt er richtig in Fahrt. Zu Frank*, der heute als stellvertretender Küchenchef in einem renommierten Stuttgarter Restaurant arbeitet, hat er immer noch Kontakt. Köchert erinnert sich: „Frank hat seinen Vater, mit dem er ganz wenig zu tun hatte, nach Jahren wiedergetroffen. Sie haben darüber geredet, wie denn so alles war in den letzten Jahren und dann hat der Frank zu seinem Vater gesagt: ‚Du warst als Vater nie da, aber ich hatte einen Vater und der war im Kulturwerk und der heißt Köchert.‘ Da hatte ich einen Kloß im Hals. Das sind die Momente, wo ich weiß, warum ich hier arbeite.“

Köchert erlebt die familiäre Gemeinschaft im Kulturwerk als wertvolles Therapeutikum. Er berichtet: „Was ich auch ganz arg mag, ist, dass wir zusammen Mittag essen, so 14.30 Uhr rum. Aus allen Abteilungen kommen alle zusammen, dann ist ein wildes Durcheinander und es ist Kulturwerkfamily angesagt. Essen hat so einen sozialen Charakter, das ist so was Schönes, wenn man sich austauscht beim Essen, dann kotzt man noch ab über den Köchert, dann kommen Gespräche zustande, was den Tag über gelaufen ist, was man zu Hause gemacht hat. Dass man zusammen isst, kommt nicht nur bei den Leuten, die aus prekären Verhältnissen kommen, kaum mehr vor. Und zufällig, weil ich das Kochen gelernt habe, kann ich meinen Teil dazu beitragen, es ist ja nicht so, dass ich das für mich so geplant hatte.“

Köchert gibt den Teilnehmenden immer wieder die Chance wiederzukommen, auch wenn sie Mist gebaut haben, ganz so wie er es in seiner Familie auch erfahren hat.

Er sagt: „Das an das Gute im Menschen glauben, das ist schon immer etwas gewesen, was in mir drin ist, das gilt auch für das ganze Team hier. Und das ist hier auch was Schönes, den Leuten die Angst zu nehmen, dass sie, auch wenn sie, wie das oft vorkommt, Tage oder Wochen nicht erscheinen, wieder kommen können. Den Teilnehmenden das Gefühl zu geben, auch wenn Du eine Woche unentschuldigt gefehlt hast, ruf an, das ist in Ordnung. Manchmal ist es mühsam, ich bin auch oft enttäuscht. Hier eine Ausrede und da die Nächste. Manchmal nervt es sehr, viele vorangegangene Gespräche, viel geleistete Unterstützung und Flexibilität unsererseits, viele Versprechungen der Teilnehmenden und dann kommt manchmal gar nichts zurück. Doch dieses zurückkommen können, auch wenn ich Mist gebaut habe, ist eben auch ein christlicher Wert. Mitzubekommen, dass es nicht zwingend wie früher im Elternhaus sein muss, wo Dinge eingetrichtert wurden wie: ‚Du schaffst das sowieso nicht, du bekommst ja sowieso nix auf die Reihe.‘ oder: Ich wollte Dich ja sowieso nie haben, du bist ja ein Unfall.‘“

*Name von der Redaktion geändert

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Necdet Akalin ist in Nürtingen geboren und in Neckarhausen aufgewachsen. Seine Eltern stammen aus Istanbul und kamen im Zuge der Anwerbung von Gastarbeitern in den 60er Jahren nach Deutschland. Er ist Automechanikermeister und 2005 in die Jugendberufshilfe bei der Neuen Arbeit eingestiegen. Nach zwölf Jahren hat er für dreieinhalb Jahre die Trampolinfertigung in der Metallbearbeitung als Werkstattmeister geleitet. Heute ist er als Standortleiter im Lager- und Logistikzentrum tätig. Necdet Akalin ist 46 Jahre alt und gläubiger und bekennender Muslim.

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Ich habe immer an die jungen Menschen geglaubt“, sagt er. Er berichtet von einem Teilnehmer, den er in der Jugendberufshilfe begleitet hat und Jahre später wieder trifft. Dieser war ein junger sympathischer Mann geworden, der seinen Weg gemacht und eine positive Erinnerung an die Jugendberufshilfe hatte. „Das war eine tolle Erfahrung für mich“, berichtet Akalin.

Auf die Frage, was ihn antreibt, bei einem Sozialunternehmen zu arbeiten, und nicht in einer Autowerkstatt, spricht er davon, dass er sich, wie das Unternehmen Neue Arbeit, immer wieder verändern konnte. „Die Tätigkeiten und die Menschen bei der Neuen Arbeit sind unglaublich interessant.“ Was ihn immer wieder zum Staunen bringt: dass man mit den Menschen, die nicht so leistungsfähig sind, die viele Einschränkungen haben, trotzdem so viel auf die Beine stellen kann, so dass es am Ende doch funktioniert.

Zu Beginn seiner Tätigkeit bei der Neuen Arbeit habe er das diakonisch-kirchliche bei der Neuen Arbeit gar nicht wahrgenommen. Die Neue Arbeit war für ihn ein Arbeitgeber wie jeder andere auch. „Wir haben ja die Jugendlichen nicht gefragt, bist du Muslim oder Christ, die Religion hat keine Rolle gespielt. Die Christinnen und Christen haben die Nächstenliebe ja auch nicht gepachtet“, sagt er. Muslim zu sein und bei der Diakonie zu arbeiten, das geht für ihn gut zusammen.

Die Werte seien klar, die Neue Arbeit gehört zur Diakonie und ist eine Tochter der Evangelischen Gesellschaft. Aber dass die Neue Arbeit auch wirtschaftlich laufen muss, darin liege viel Konfliktpotenzial. Für Akalin ist es schwierig zu sagen, auf der einen Seite sind wir Diakonie und auf der anderen Seite müssen wir Mitarbeitende kündigen.

Manchmal findet er die unternehmerischen Entscheidungen christlich ok und gerechtfertigt, manchmal auch nicht. Man könne weder sagen, die Neue Arbeit sei undiakonisch, noch können man sagen, die Neue Arbeit mache alles richtig. Er sei nicht besonders religiös aufgewachsen und nicht der Muslim, der jede Woche zum Freitagsgebet in die Moschee geht und den Koran in- und auswendig kennt. „Mein Vater hat mich eingeladen zum Freitagsgebet zu gehen, aber gezwungen hat er mich nicht“, so Akalin. Seine Eltern haben mit ihm als Kind gebetet und ihm ihre Werte, die sie aus dem Islam schöpfen, weitergegeben.

Für Akalin spielt Barmherzigkeit eine große Rolle im Islam. Es bedeutet für ihn, dass man Mitgefühl hat und sich in Andere hineinversetzen kann. Zum Beispiel beim Fasten im Ramadan, wenn man nichts isst und trinkt, wenn man sich in das Gefühl von armen Menschen, die nichts haben, einfühlen kann und mit den Armen beim täglichen Fastenbrechen gemeinsam isst: „Man schaut, dass alle versorgt sind, dass jeder und jede das Gleiche hat und sich an einen gut gedeckten Tisch setzen kann.“

Seine Eltern haben ihm den Glauben an Gott weitergegeben. Der Glaube ist für Akalin etwas sehr Privates. Er ist wichtig, wenn er nicht mehr weiter weiß, und eine Lösung sucht und dann beten kann. Morgens wenn er ins Auto einsteigt, spricht er ein paar einfache Gebete, die er auf seinem Smartphone gespeichert hat.

Ein Gebet, das ihm sehr wichtig ist, ist das Dankgebet, dass Gott ihn erschaffen hat. Es bedeutet ihm, dass alles einen Sinn macht, dass das Leben sinnvoll ist, auch wenn wir nicht immer sofort alles verstehen. Zwölf Jahre Jugendberufshilfe standen am Anfang von Necdet Akalins beruflflicher Laufbahn bei der Neuen Arbeit. Er sagt, er habe über 1.000 Jugendliche in Stuttgart miterzogen.

Die Arbeit mit benachteiligten Jugendlichen findet er unglaublich wichtig, damit wir überhaupt eine nächste Generation haben. Ihn habe am Anfang die Frage beschäftigt, wie sich junge Menschen positiv entwickeln können? Die Arbeit mit benachteiligten Jugendlichen sei nicht immer einfach gewesen, es gab auch negative Erlebnisse. Aber fast noch schwieriger sei es gewesen, beteiligte Kollegen/-innen mitzunehmen und zu überzeugen, dass die Jugendlichen schon ihren Weg machen werden.

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Marc Hentschke führt seit dem 1. Oktober 2001 die Geschäfte der Unternehmen im Verbund Neue Arbeit. Der Diplom-Ökonom ist seit seinem Studium als sozialer Unternehmer in der Diakonie tätig und Vorstandsvorsitzender des „Evangelischen Fachverbandes für Arbeit und soziale Integration e.V.“. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

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Herr Hentschke, warum sind Sie christlicher und nicht „normaler“ Unternehmer geworden?
In der Schulzeit und während des Studiums war ich immer in meiner Kirchengemeinde engagiert, habe viele Jugendgruppen geleitet und war während des Studiums Vorsitzender des Kirchenvorstandes. Nach dem Studium habe ich überlegt: Was will ich machen? Ich gehöre zu den geburtenstarken Jahrgängen und auf dem Stellenmarkt war es eng und nicht so einfach. Trotz der wenigen Arbeitsplätze hatte ich mir fest vorgenommen, ich fange nicht irgendwo an. Ich hatte die Luxussituation, dass ich als Kellner Geld verdient habe. So konnte ich mich auf Stellen bewerben, die ich interessant fand und abwarten. Das waren Stellen, die für mich Werte vermittelt haben, und ich hatte dann die Chance, in einem christlich-diakonischen Unternehmen in Cottbus zu starten. Seitdem habe ich in christlich-diakonischen Unternehmen gearbeitet. Ich wollte letztendlich das Christsein mit dem Unternehmersein verbinden, auch wenn das manchmal nicht ganz einfach ist.

Was treibt Sie persönlich an, hier bei der Neuen Arbeit zu arbeiten?
Es ist richtig und wichtig dafür einzutreten, dass benachteiligte Menschen einen Zugang zur Arbeit bekommen. Es ist richtig und wichtig, sie in die Gesellschaft zu integrieren und, wenn sie es möchten, teilhaben zu lassen. Ich glaube, dass „Gemeinschaft haben“ etwas für den Menschen sozial sehr Prägendes ist. Wir haben hier bei der Neuen Arbeit nicht nur Menschen christlichen Glaubens, sondern unterschiedliche Konfessionen und verschiedene Weltreligionen. Dennoch klappt es mit der Zusammenarbeit. Auch zu Hochzeiten des Konflikts zwischen Kurden und Türken hat die Zusammenarbeit funktioniert. Ebenso arbeiten hier Juden und Araber trotz der Brandherde im Nahen Osten gut zusammen. Das ist möglich, weil Arbeit verbindet. Man erlebt bei der Arbeit den Menschen, auf den man sich verlassen kann und das schafft nochmal einen eigenen Wert.

Meine Arbeit im Unternehmensverbund Neue Arbeit empfinde ich als sehr sinnstiftend. Es gibt natürlich auch Momente, wo es mir einfach zu viel ist und ich an Überforderungsgrenzen komme. Da ist es wichtig, Wege zu kennen, die die Überforderung auflösen. Die Pandemie hat mich mehrmals an Grenzen gebracht. Ich bin morgens aufgestanden und habe mir gedacht, du musst Dich jetzt positiv stimmen. Ich habe dann das Lied „Ein neuer Tag beginnt und ich freu mich“ so vor mich hin gesummt und dann war der Tag erstmal positiv eingestimmt. Das war so mein morgendliches Ritual unter der Dusche, wo ich gedacht habe: So, jetzt geht’s los. Ich habe aus diesem christlichen Lied ein großes Stück Kraft für den Arbeitsalltag gezogen.

Wo wird für Sie das Christliche bei der Neuen Arbeit sichtbar und spürbar?
Ich hoffe, dass für Menschen, die genau hinschauen, die christlichen Werte sichtbar werden. Aber wir sind als gemeinnütziges Unternehmen natürlich auch an wirtschaftliche Rahmenbedingungen gebunden, wie jedes andere Unternehmen, das im Markt aktiv ist. Wenn jemand zu uns kommt und denkt, weil wir ein christliches Unternehmen sind, würden wir nicht kündigen, dann ist das ein Irrtum. Wir versuchen aber immer einen akzeptablen wertschätzenden und unterstützenden Umgang, das ist uns wichtig. Aber ich muss auch klar sagen, das gelingt nicht immer, weil es Stresssituationen gibt, weil Führungskräfte überfordert sind, an Grenzen kommen, oder weil sie anders sozialisiert sind.

Ich hoffe sehr, dass man bei der Neuen Arbeit das Christliche im Umgang mit den Menschen, an der Wertschätzung merkt. Wir haben natürlich auch äußerlich sichtbare Zeichen. Wir achten darauf, dass wir Menschen zu Kursen schicken, in denen die christlichen Grundlagen vermittelt werden, wenn sie nicht so kirchennah sind. Die Herrnhuter Losungen tauchen immer wieder an verschiedenen Stellen auf, wir gestalten Gottesdienste mit, wir haben Diakone und Diakoninnen im Unternehmen, christliche Werte stehen im Zentrum unseres Leitbildes und wir besuchen mit einer Delegation die Kirchentage.

Welche Rolle spielt dabei die Kirche?
Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass das Christsein ohne Anbindung an eine Organisation nicht geht. Es ist wie bei jenem Beispiel vom brennenden Holzscheit. Wenn man das Holzscheit aus dem Feuer nimmt, brennt es bald nicht mehr. Wenn man es aber wieder ins Feuer zurücklegt, fängt es wieder an, Wärme und Licht zu spenden. Ich persönlich brauche schon Struktur und Gemeinschaft. Und Kirche bietet diese Gemeinschaft. Die Kirche hat finanziell gesehen keinen großen Einfluss auf die Neue Arbeit. Man muss beachten, dass die protestantische Kirche in Württemberg, bis auf wenige Ausnahmen, eine Mittelstandskirche ist. Aber die Neue Arbeit tritt nicht für die Mitte, sondern für die Menschen am Rand der Gesellschaft ein. Das heißt, wir müssen Brücken bauen und erklären, warum wir was machen, wir müssen schauen, dass wir gemeinschaftliche Erlebnisse mit Kirchengemeinden und unseren Menschen realisieren.

Manchmal stehen harte unternehmerische Entscheidungen wie zum Beispiel Kündigungen an. Wie geht das mit dem christlich-diakonischen Auftrag zusammen?
Es ist vollkommen klar, dass wir nicht im Paradies leben, das heißt, wir haben Rahmenbedingungen, die müssen wir erfüllen. Ich erinnere mich an einen Kollegen, der arbeitete bei einem christlichen Unternehmen im Osten, und dem hat man später nachgesagt, dass er betend in die Insolvenz gelaufen ist. An der Aussage ist etwas dran. Den wirtschaftlichen Aspekt können wir nicht vernachlässigen. Wenn man ein Gesellschaftsspiel spielt, dann muss man Spielregeln einhalten. Und wenn man die Spielregeln von „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Halma“ nicht anwendet, dann funktioniert das Spiel nicht. Wenn wir als GmbH organisiert sind, werden wir immer im wirtschaftlichen Kontext stehen. Wenn wir wegen öffentlicher Haushaltsreduktion, Preissteigerungen, verlorener Ausschreibungen und verlorener Teilnahmewettbewerbe Projekte und Aufträge verlieren, dann müssen wir reagieren, weil wir ansonsten mit 1.000 Mitarbeitenden vor die Wand laufen. Wenn wir reagieren, gelingt es, große Teile des Gesamtunternehmens zu erhalten, aber es trifft dann Einzelne. Da, wo es zu Trennungen kommt, lassen wir die Menschen nicht ins Bodenlose fallen. Wir versuchen, die Menschen zu vermitteln, sie auf einen anderen Arbeitsplatz zu setzen oder sie zu motivieren, zu einem anderen Träger zu gehen. Wir helfen ihnen mit Bewerbungsunterstützung, wir vermitteln bei Bedarf ins Hilfesystem damit sie Halt haben. Auch Menschen, die zum Beispiel wegen Diebstahls entlassen werden müssen, bekommen bei uns eine zweite und dritte Chance. Voraussetzung ist, dass Sie einsichtig sind.

Was unterscheidet ein normales Sozialunternehmen von einem diakonischen Sozialunternehmen?
Ich maße mir da keine abschließende Beurteilung an, aber für mich ist klar, es gibt schon einen Unterschied zwischen Christen und Humanisten.

Viele Menschen, die in sozialen Kontexten tätig sind und keinen christlichen Hintergrund haben, arbeiten oft mit einem humanistischen Weltbild. Ich glaube, dass wir Christen und Christinnen noch eine Ressource mehr zur Verfügung haben. Wir glauben, dass es im Hintergrund der Welt einen liebenden und barmherzigen Gott gibt, der uns in der Welt nicht allein lässt. So wie ich morgens mit dem Lied „Ein neuer Tag beginnt und ich freu mich“ beginne, gebe ich ein Stück Verantwortung ab, weil ich weiß, da gibt es eine Instanz, die stützt und hilft.

Es gibt diesen schönen Satz: „Wenn Gott dir eine Tür zuschlägt, öffnet er dir ein Fenster.“ Das macht einen großen Unterschied. In der alltäglichen Arbeit in den Unternehmensstrukturen mag das vielleicht nicht immer so klar rauskommen, aber das Christliche ist da.

Wie kann man heute und in Zukunft als christliches Unternehmen tätig sein?
Man kann ganz normal tätig sein. Es gibt ja nicht nur gemeinnützige christliche Unternehmen, sondern auch den Arbeitskreis evangelischer Unternehmer/-innen. Das sind normale Unternehmen, die in der Regel von christlich geprägten Familien geführt werden. Ich glaube, es ist falsch zu sagen, weil die Lage gerade aufgrund der vielen Krisen angespannt und besonders fordernd ist, kann man als christlicher Unternehmer nicht mehr tätig sein. Ich glaube, gerade dann muss man versuchen, als christliches Unternehmen tätig zu sein. Das heißt nicht, dass das immer gelingt. Auch für die Neue Arbeit gibt es keine Ewigkeitsgarantie. Wir müssen ohne Unterlass hart dafür arbeiten, dass das Unternehmen unter den sich verändernden Rahmenbedingungen konstant auf Kurs bleibt. Und genauso müssen wir uns täglich erarbeiten, dass wir die Werte, die wir verkörpern wollen, auch wirklich verkörpern. Es ist klar, je rauer der Wind weht, desto schwieriger ist das, weil die Menschen immer mehr an ihre Grenzen kommen.

Mir ist wichtig, dass wir mit dieser Broschüre auch deutlich machen, was für eine Wertehaltung wir haben, an welcher Latte wir uns selbst messen lassen wollen. Zumindest mir ist klar, es wird Situationen geben, in denen wir die Latte auch reißen und hinter unseren eigenen Ansprüchen zurückbleiben werden. Das ist aber Ansporn, es zu korrigieren und das nächste Mal besser zu machen. Das ist der Punkt.

Wir haben bei der Neuen Arbeit gläubige Mitarbeitende aus allen Weltreligionen. Und es ist mitnichten so, dass die Christen ein Monopol auf den wahren Glauben haben. Vielfach findet ein Austausch über die Religionen statt. In der Metallbearbeitung hatten wir viele Jahre eine sehr interessante Situation. Da arbeiteten eine strenggläubige Katholikin, ein Moslem und ein pietistisch geprägter Christ zusammen. Die Gespräche in der Mittagspause zwischen diesen Menschen waren sehr spannend. Die Abteilung war neben dem Technischen und Industriellen sehr spirituell geprägt.

Die Auseinandersetzung mit Glauben und Werten wirkte in die gesamte Abteilung hinein. Viele Jahre haben wir dort die größte Nachfrage nach Bibeln gehabt. In der täglichen Kommunikation gab es die unterschiedlichen Fragen: „Wie sieht die eine Religion das und wie die andere?“ Das lag aber an den Personen. Die haben diese Gespräche gefördert und gesucht. Wenn man offen über Spiritualität oder über Christsein spricht, dann kann man feststellen, es gibt viele Menschen, die leben nach Werten und haben eine Haltung. Wir haben kein Vakuum von Werten, sondern wir haben ein Vakuum, darüber zu sprechen. Die traditionellen Formate stimmen für viele nicht mehr. Das ist, glaube ich, auch nicht unwichtig.

Wenn sie heute irgendwo hingehen und sagen ich bin Christ, dann ist das im Geschäftsleben eine unangebrachte Aussage. Aus meiner Sicht ist es mitnichten so, dass Religion etwas Privates ist. Sie prägt Menschen, die wiederum im Alltag und Berufsalltag ihre Wertehaltung nicht abstellen. Deshalb ist es wichtig darüber zu sprechen. Wir sollten es viel häufiger machen, um einfach auch eine Gesprächsplattform zu bieten.

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Dekanin Dangelmaier-Vinçon von der Paulusgemeinde Zuffenhausen bereitet mit Mitarbeitenden der Neuen Arbeit ungewöhnliche Gottesdienste vor. Seit vielen Jahren gestalten Mitarbeitende der Neuen Arbeit Gottesdienste in Stuttgarter Kirchengemeinden mit. Als diakonisches Sozialunternehmen gehört die Neue Arbeit unmittelbar und untrennbar zur Kirche dazu.

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Eine Vorbereitungsgruppe hat sich 2022 mit Dekanin Dangelmaier-Vinçon getroffen, um gemeinsame Gottesdienste in der Paulusgemeinde Zuffenhausen zu gestalten. Im Rahmen einer sogenannten Dialogpredigt, wurden die Gedanken der Gruppe zum Vers 34,16 aus dem Buch Ezechiel in drei Austauschrunden gesammelt und im Gottesdienst vorgetragen. Das hat allen Beteiligten und der Gemeinde so gut gefallen, dass im Mai 2023 ein weiterer Gottesdienst, diesmal zum Thema „Essen“, vorbereitet und gefeiert wurde. Die Vorbereitungsgruppe der Neuen Arbeit besteht aus Menschen, die leidliche Erfahrungen mit Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung haben und die selten oder gar keine Gottesdienste besuchen. Mit diesem besonderen Hintergrund kommen Perspektiven, Beobachtungen und Reflexionen ins Spiel, die sonst kaum zur Sprache kommen.

Martin Tertelmann befragte Dekanin Elke Dangelmaier-Vinçon und Claudia Wanner, Demokratiebegleiterin bei der Neuen Arbeit, zu den Gottesdiensten und zu religiösen Fragen.

Martin Tertelmann: Wie kommen die Dialogpredigten an?

Claudia Wanner: Die Leute, die da mitmachen, finden das richtig gut. Also wir hören nicht auf darüber zu reden, wenn Frau Dangelmaier weg ist und die Tür zu ist, überhaupt nicht. Also, wir reden immer wieder drüber und tauschen uns immer wieder aus. Wir gehen da gern hin, wir sind freiwillig dabei. Ja warum gerne? Die Themen haben etwas mit unserem Leben zu tun, man kann uns ja kein Thema aufdrücken. Man kann sowohl kreativ sein als auch recherchieren, das macht es spannend. Weil jeder jetzt was anderes hat, finde ich das eine ganz schöne Mischung. Ich habe auch Lust, mal wieder in die Bibel zu gucken und auch die verschiedenen Übersetzungen zu lesen, wo dann ein Wort den ganzen Sinn verändert, das macht mir schon mega Spaß, die verschieden Auslegungen, das finde ich total interessant. Anfangs hat mich der geschichtliche Aspekt interessiert und jetzt kommt mehr der religiöse Aspekt, da bin ich selber überrascht. Mir gefällt es hier einfach gut.

Elke Dangelmaier-Vinçon: Bei der Gemeinde hat es nach dem ersten Gottesdienst noch nachvibriert. Da ist etwas hängen geblieben und da wurde etwas ausgelöst. Die Gruppe ist einfach der Wahnsinn, was die so alles bringt und welche Facetten da aufgerufen werden. Das muss man dann nur noch ein bisschen in Form bringen und gar nicht mehr viel sagen. Der Gottesdienst zum Thema Essen war keine Dialogpredigt, sondern es gab ausführlichere Statements, die ganz verschiedene Sachen beleuchten. Diese Fülle, diese Weitung, die da zum Vorschein kommt, die fasziniert mich unendlich, und dieses Arbeitsklima das macht richtig Spaß. Für mich ist es ein Geschenk. Die Gruppe reflektiert auf einem sehr hohen Niveau. Ich habe ja auch schon Erwachsenenbildung gemacht und ich glaube nicht, dass ich die Aspekte, die da sofort auf den Tisch kamen, dass ich die in der Tragweite alle bekommen hätte. Da geht es nicht nur um die eigene Betroffenheit, da geht es beim Thema Essen nicht nur um das eigene Lieblingsessen und den Tafelladen. Das wird dann gleich weltweit und global gedacht, mit der Vernetzung und den wirtschaftlichen Aspekten, und, und, und.

Martin Tertelmann: Frau Wanner, wie erleben Sie das so als kirchenferne Person?

Claudia Wanner: Diese Erlösergeschichte mit Christus, da habe ich noch meine Probleme damit, dazu ist Jesus einfach zu lange tot. Da gibt es Ärzte, die am Leben sind, die mir letztlich eher helfen können. Ich habe aber Respekt vor Menschen, die tatsächlich glauben. Mit Christus als Erlöser, da kann ich nicht viel mit anfangen, weil ich kenne ihn ja so nicht. Alles andere, die christlichen Werte, die gibt’s ja abgewandelt in fast jeder Religion. Aber ich bin ja nun mal verwurzelt in der christlichen Religion, ich bin ja auch getauft und so.

Elke Dangelmaier-Vinçon: Über den Erlöser diskutieren wir dann nochmal eine Stunde.

Claudia Wanner: Den historischen Jesus finde ich total interessant und wahrscheinlich, vor 2000 Jahren, wäre ich voll dabei gewesen. Von daher bin ich totaler Fan. Nur halt jetzt, 2000 Jahre später, kann ich grad mit ihm nicht schwätzen. Kann man wahrscheinlich schon, da kann ich mir dann Antworten einbilden, wie ich sie gern hätte, und das möchte ich nicht. Ich möchte Antworten von jemandem, der greifbar ist, der halt grad sprechen kann, richtig und nicht nur im meinem Kopf. Ich will so Sätze wie „Jesus der Erlöser“ nicht einfach so nachplappern, ich will verstehen.

Elke Dangelmaier-Vinçon: Das muss man gar nicht so nachplappern, um dabei sein zu dürfen. Für mich hat Jesus zwei Richtungen, einerseits ist er wahrer Mensch, er ist seinen Weg konsequent zu Ende gegangen. Am Kreuzestod sehen wir, wozu Menschen fähig sind, wenn ihnen etwas nicht passt, dann vernichten sie ihn, den Menschen, quälen ihn, fügen ihm maximale Schmerzen zu und bringen ihn um. Und auf der anderen Seite ist er gleichzeitig Gott und er zeigt uns, wie Gott die Menschen haben möchte. In die zwei Richtungen denke ich.

Claudia Wanner: Also der Karfreitag ist mir auf eine Art heilig, das ist der Tag für alle politisch Verfolgten, Gefolterten und Getöteten, die es ja jeden Tag immer noch gibt. Für mich ist weniger an diesem Tag Jesus gestorben, für mich ist das ein politischer Tag. Darum finde ich Karfreitag für mich viel wichtiger als Ostern, mal abgesehen von dem freien Montag.

Elke Dangelmaier-Vinçon: Ich finde man braucht Ostern. Wenn es nur bei Karfreitag stehen bleibt, dann sagt man „Oh, die Welt ist so schlecht und die Menschen können so widerlich sein“, wenn es da stehenbleibt und nicht kommt, dass das Leben und die Liebe stärker sind als der Tod, dann fehlt was. Deswegen brauche ich Ostern.

Die Gottesdienste sind alles in allem eine Win-Win-Situation. Die Mitarbeitenden der Neuen Arbeit können an die Schätze der Kirche andocken und die Kirchengemeinde profitiert von unbekannten, interessanten Beobachtungen, Aspekten und Geschichten von Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben, die sie so nicht jeden Tag hören.

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Dorothee Reith unterstützt als Sozialarbeiterin, Diakonin, systemische Beraterin und Mediatorin die Mitarbeitenden in einigen der 18 CAP-Lebensmittelmärkten bei sozialen und beruflichen Problemen.

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Reith hat ihre Berufung Menschen im Leben zu begleiten, bereits im frühen jugendlichen Alter gefunden. In einem bewusst evangelischen Elternhaus mit drei Geschwistern aufgewachsen nimmt sie als Jungscharleiterin an Fortbildungen in der Jugendarbeit teil. „Wir haben aufregende Tage im Haus der Jugend verbracht mit Aufgaben, Gruppenbildungen und Rollenspielen den ganzen Tag über. Und abends gab es diese Auswertungen in der großen Runde. Dort hat man Verhalten reflektiert. Das hat mich unglaublich fasziniert, dass ich überzeugt bin, dass daraus der Wunsch in mir entstanden ist, mit Menschen zu arbeiten und sie in ihrem Leben zu begleiten.“

Nach ihrem Studium und beruflicher Tätigkeit bei diversen Arbeitsstellen, arbeitet sie von 2008 bis 2012 als Integrationscoachin in den CAP-Märkten und unterstützt Menschen mit psychischer Erkrankung. „Die Arbeit in den CAP-Märkten, die habe ich geliebt. Es hat mir auch gut gefallen, wie von der Führung mit mir umgegangen wurde. Alle neuen Ideen waren willkommen und waren gefragt. Da gab es keine Begrenzungen, ich hatte einen großen, freien Handlungsspielraum“, erinnert sie sich.

Weil die Projektmittel im Jahr 2012 drastisch gekürzt wurden, verlässt sie die Neue Arbeit mit großem Bedauern und arbeitet bis zur Rente als Hilfeplanerin beim Landratsamt Ludwigsburg für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Aber nach dem Renteneintritt steigt sie wieder bei der Neuen Arbeit ein. „Ich hatte das Gefühl, ich möchte noch nicht aufhören mit der Rente. Und da hat es sich ergeben, dass die Aufgabe des Sozialdienstes in den CAP-Märkten vakant war. Und so arbeite ich hier im Rahmen eines Minijobs seit Mai 2021“, sagt Reith. Die Anforderungen und Aufgaben sind bunt und vielfältig. Wenn man Dorothee Reith zuhört, spürt man, dass sie ihre ganze Lebens- und Berufserfahrung, ihre ganze Professionalität in ihre Arbeit einbringt.

Sie führt Mediationen zwischen Beschäftigten durch, spricht mit den Mitarbeitenden, schlichtet Konflikte am Arbeitsplatz, klärt Schwangere über staatliche Leistungen auf. Sie wird zu einer Mitarbeiterin gerufen, die sich in einem suizidalen Zustand befindet und stabilisiert sie über das Wochenende. Sie vermittelt einen Selbstverteidigungskurs für eine Mutter mit drei Kindern, die der Gewalt durch ihren Mann ausgesetzt ist und ermutigt sie, ein Annäherungsverbot gerichtlich durch einen Anwalt durchzusetzen. Sie vernetzt die Mitarbeitenden mit anderen Akteur:innen aus dem Hilfesystem. Sie unterstützt bei den Themen Schulden, Sucht und Übergang in die Rente.

Eine Marktleitung wendet sich an Reith, weil sich die Zusammenarbeit mit einer Mitarbeiterin als sehr schwierig und problematisch gestaltet. Es werden Gespräche mit der Mitarbeiterin geführt und man merkt, es ändert sich nichts. Und hier hilft ihr die systemische Ausbildung. „Ich hatte den Eindruck, diese Gespräche helfen nicht. Und das, was nicht hilft, brauchen wir nicht nochmal zu machen. Und dann kam mir die Idee, der Markleitung, die nicht Ursache, aber Teil des Systems ist, ein Seminar anzubieten. Die Marktleitung hat mich dann angerufen und mir gesagt, dass ihr das Seminar sehr geholfen hat und das Problem im Moment keines mehr ist. Ja, das ist ein großer Erfolg über den ich mich sehr freue“, berichtet Reith.

Im Laufe ihrer langen Berufsbiografie ändert sich etwas Grundlegendes in der Begleitung anderer Menschen. „In den 70er Jahren, da waren wir in der sozialen Arbeit in der Theorie noch in dem Gedanken, dass die helfenden Menschen am besten wissen, was die Menschen, die Hilfe in Anspruch nehmen, benötigen und brauchen. Diese Haltung hat in der Praxis zu viel Maßregelung und Bevormundung geführt,“ sagt Reith.

Nach ihrer Familienphase kommt sie bei der Mediation mit systemischen Gesprächstechniken in Berührung. Sie macht eine Ausbildung in systemischer Beratung, die ihr sofort Handlungssicherheit gibt. „In der Systemtheorie, da ist der Grundgedanke der, dass alle Menschen für ihr Sosein und für ihr Handeln einen Grund haben. Es kann sein, dass wir das nicht verstehen, weil dieses vielleicht auch manchmal selbstschädigend ist, zu einem früheren Zeitpunkt jedoch lebenserhaltende Strategie war,“ berichtet Reith.

Die neue Grundhaltung ist für Reith, dass nicht sie, sondern die Person, die sie unterstützt, am besten weiß was das Richtige ist. Sie sagt: „Das Wesentliche ist, dass die Verantwortung für ihr Leben bei der Person bleibt und nicht bei mir. Und in dieser Haltung sehe ich auch das Gebot der Nächstenliebe umgesetzt, weil eine tiefe Akzeptanz und Annahme der Person dahintersteht. Es geht für mich mehr um die Frage, wie ich die Menschen erreichen kann, damit sich auch etwas bewegt. Jemand, der das Gefühl hat, der lehnt mich ab oder versteht mich nicht‘, oder ,ich will mich gar nicht mitteilen‘, da kann ich auch keine Bewegung erreichen. Ich muss auch die Wahl der Bewegung bei der Person belassen. Etwas anderes bleibt uns ja gar nicht. Ja, und dann den Weg suchen in den Möglichkeiten der jeweiligen Person, und nicht in meinen Möglichkeiten. Dazu gehört auch, dass ich es aushalten muss, wenn jemand nicht in Bewegung kommt und so bleiben will, wie er oder sie ist, und ich trotzdem dableibe und mich nicht abwende“.

Ausgelöst durch eine Verletzung die sie ans Bett fesselt, setzt sich Reith intensiv mit dem Thema Tod auseinander. „Ich hatte eine Zeit, in der habe ich verspürt, ich habe Angst vor dem Tod. Und dann habe ich gespürt: ich will mich damit auseinandersetzen, mich stellen und nicht in dieser Haltung verharren“, berichtet sie.

Sie findet Orientierung in einem Ausspruch des griechischen Philosophen Sokrates der sagte: „Niemand weiß, was der Tod bedeutet, aber vielleicht ist der Tod das größte Geschenk an den Menschen.“ Auch im Neuen Testament findet sie viele Aussagen zum Thema Tod, wie zum Beispiel in Johannes 11,25: „Ich bin die Auferstehung und das Leben, alle, die an mich glauben werden leben, wenngleich sie sterben.“

Reith sagt: „Diese Aussagen schenken mir Kraft. Glaube ist ein Geschenk, das kann ich nicht machen. Eine Gewissheit darüber zu haben, dass es ein ewiges Leben gibt, die kann mir gar niemand nehmen, diese Gewissheit. Dass unser Leben enden wird, das ist für mich kein Schrecken mehr.“

Eine Trauerfeier im CAP-Markt Wie wichtig die persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Tod für ihre soziale und diakonische Arbeit wird, erfährt sie in ihrer Beratungstätigkeit.

In einem CAP-Markt verstirbt ein Mitarbeiter. Die Marktleitung ruft Reith an und sagt, „es stehen hier Mitarbeitende in meinem Büro und weinen.“ Sie kommt und bietet Gespräche für die trauernden Beschäftigten an. Und sie schlägt vor, eine Trauerfeier in den Lagerräumen des CAP-Marktes abzuhalten.

„Das wurde angenommen von der Marktleitung, die fand, das sei eine schöne Idee. Wir haben dann eine Zeit gefunden, in der kein Hochbetrieb im Laden war“, berichtet Reith.

Wir haben ein kleines Tischchen aufgestellt mit schönen Herbstblumen und Kerzen drauf. Jemand hat ein Bild des Verstorbenen auf das Tischle gestellt. Einfach ein schöner Besinnungsmoment, so dass die Augen, wenn man da so drum herum steht, Trost bekommen und auch die Erinnerungen an diesen Mitarbeiter. Es hat dann vielleicht eine Viertelstunde oder 20 Minuten gedauert. Ja, und hinterher haben wir noch im Sozialraum gesessen und ein bisschen Kaffee getrunken und sind zusammen gewesen. Der Verstorbene hatte keine Angehörigen. Es gab dann eine soziale Beerdigung. Der Verstorbene war wichtig für viele, er hatte eine gute Verbindung zu vielen. Da fand ich, da ist der Glaube, da war meine Auseinandersetzung mit dem Tod so wichtig. Ich kann nur Trost geben, wenn ich selbst einen habe. Und bei der Trauerfeier habe ich auch diese Worte aus dem Johannesevangelium gesagt und auch, dass die Erinnerung an die Person einem niemand nehmen kann. Dass wir Christen an das ewige Leben glauben können, empfinde ich als Trost und kann das auch so sagen und weitergeben. Da war es für mich sehr dicht, den Glauben an dieser Stelle in die Arbeit einzubringen“.

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Gelebtes Christsein im Arbeitsalltag

 

Auf die Frage, „Welches biblische Gleichnis oder welche Geschichte aus dem Koran fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an die Arbeit der Neuen Arbeit denken?“ haben Mitarbeitende folgende Antworten gegeben:

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Für Bernd Menzel, Anleiter Grünpflege Esslingen, ist es das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, Neues Testament, Matthäus 20,1 – 16

Der Hausherr geht frühmorgens hinaus, um Arbeiter in seinen Weinberg einzustellen. Nachdem er mit den Arbeitern um einen Denar den Tag übereingekommen war, sandte er sie in seinen Weinberg. Immer wieder ging er aus, um Arbeiter einzustellen, selbst zu später Stunde. Am Abend wurde der Lohn ausgezahlt. Die, welche nur kurz gearbeitet hatten, bekamen denselben Lohn wie die, die den ganzen Tag gearbeitet hatten. Als die „Langzeitarbeiter“ ihren Lohn empfingen, murrten sie, weil sie mehr geschuftet hatten als die „Kurzarbeiter“. Der Hausherr antwortete ihnen: „Ist es mir nicht erlaubt, mit den Meinen zu tun, was ich will? Oder blickt dein Auge böse, weil ich gütig bin?”

Ich habe jahrelang im Rahmen der Neuen Arbeit in Ochsenbach Trockenmauern im Weinberg restauriert und weiß daher, wie hart die Arbeit dort ist.
Verständlich also, wenn man den ganzen Tag schwer schuftet und dasselbe erhält wie andere, die vielleicht nur eine Stunde dort waren. Als ich vor mehr als zehn Jahren zur Neuen Arbeit kam war in meinem Kopf noch das Leistungsprinzip des ersten Arbeitsmarkts. Beim Arbeiten mit benachteiligten und Menschen mit Behinderung begriff ich, dass diese ihr Bestes geben, aber das meist nicht ausreicht für ein befriedigendes Arbeitsergebnis. Die Neue Arbeit nimmt Menschen auf, die im Sinne des Gleichnisses vielleicht zwei oder nur eine Stunde im Weinberg arbeiten können, weil mehr einfach nicht geht. Der Hausherr des Gleichnisses (Gott) stellt seinen Arbeitern als Lohn ein ewiges Leben in Aussicht. Die neue Arbeit kann das verständlicherweise nicht, was sie aber tut ist benachteiligten Mitarbeitern ein eigenständiges Leben zu ermöglichen, die Aussicht auf berufliches Weiterkommen und vor allem Selbstachtung.

Für Wolfgang Bucher, Abteilung Sprachkurse Stuttgart, ist es das Gleichnis vom verlorenen Sohn oder vom barmherzigen Vater, Neues Testament, Lukas 15, 11-31

Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. Als er aber alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm. Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich einem deiner Tagelöhner gleich! Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein. Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.

Das Gleichnis wird oft verwendet, wenn Gottes unermessliche Barmherzigkeit verdeutlicht werden soll. Hinzu kommen Werte wie Loyalität, Respekt und Verantwortung. Daraus leite ich meine persönliche Sicht auf das Gleichnis ab: Das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Loyalität und Fairness im familiären und beruflichen Kontext kann ich kontinuierlich schärfen, indem ich Menschen genug Chancen – und vor allem Zeit – zur Einsicht gebe. Das ist ein wesentlicher Aspekt im Wirkungsumfeld sozialer Arbeit und meiner pädagogischen Aufgabe bei der Vermittlung von Sprache.

Für Oliver Schwarz, Presse und Medien, ist es weder ein Gleichnis aus der Bibel noch eine Geschichte aus dem Koran. Aus dem Keltischen kommt ihm immer wieder in den Sinn:

Es gibt drei Seinszustände für beseelte Kreaturen: Der erste ist der von Annwfn (Tiefe), wo ihr Ursprung war. Der zweite ist der von Abred (Sein), den sie durchqueren müssen, um Erkenntnis zu erlangen. Der dritte ist der von Gwynfydd (Lichte Welt), worin sie alle aufgehen werden im schier grenzenlosen Anwachsen der Macht, der Erkenntnis und der Liebe, bis zur unendlichen Fülle.

„Beseelt“ sind nicht nur wir Menschen, auch alle großen und kleinen Tiere, das Moos auf den Steinen, die Bäume. Seit Jahrtausenden besteht zwischen der mächtigsten Pflanze der Erde – dem Baum – und dem Menschen eine tiefe Verbindung. Der Baum ist ein Ursymbol für die Unvergänglichkeit der Natur. Für uns Kelten spielen Bäume eine besondere und zentrale Rolle in unserem Leben. Für uns sind sie von Göttern und Naturgeistern beseelt. Mancher Baum ist uns heilig.

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Benachteiligte, Langzeitarbeitslose und Menschen mit Behinderung sind Experten/-innen in eigener Sache. Die Neue Arbeit schätzt ihre Expertise. Die Beteiligung Betroffener auf Augenhöhe hat einen besonderen Wert und Tradition bei der Neuen Arbeit.

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Bei einer der größten Sozialreformen der jüngeren deutschen Geschichte, bei Hartz IV, wurden diejenigen, die es am meisten betraf, nicht beteiligt. Mit dabei waren stattdessen die Eliten der deutschen, Wirtschaft, Banken und die Gewerkschaften. Was wäre wohl aus der Hartz IV-Reform geworden, wenn man Betroffene eingebunden und um Rat gefragt hätte?
Die Neue Arbeit ist davon überzeugt, dass da, wo Professionelle und Betroffene auf Augenhöhe zusammenarbeiten, eine innovative Zusammenarbeit entstehen kann, die einen nachhaltigen und wertvollen Beitrag dazu leistet, die drängenden sozialen Probleme anzugehen.
Betroffene helfen uns dabei, an den Nöten ihrer Lebensrealität dranzubleiben. Sie machen uns auf exkludierende Faktoren aufmerksam, die wir nicht wahrnehmen oder vielleicht nicht so ernstnehmen, weil wir sie nicht erleiden müssen. Wer Konzepte erstellt, die für die Lebenssituation Betroffener relevant sind, bezieht diese sinnvollerweise mit ein. Beteiligung kann der Motor für soziale Innovationen sein, das haben wir bereits vielfach erfahren. Wir wissen: Professionelle brauchen die Betroffenen und die Betroffenen brauchen die Professionellen. Niemand kann die Forderungen, Bedürfnisse und Vorschläge der Betroffenen in der Öffentlichkeit authentischer vortragen als diese selbst – wir helfen ihnen dabei.
Beteiligung macht Betroffene stark, steigert deren Selbstwertgefühl, ihre Autonomie und das Bewusstsein der Selbstwirksamkeit. Das sind Eigenschaften, die auch für den Arbeitsmarkt wertvoll sind. Partizipation ist oft anstrengend, auch das muss gesagt werden. Die Partizipation Betroffener ist eine enorme Herausforderung. Sie ist aber unverzichtbar, um zu guten nachhaltigen Lösungen bei sozialen Fragen zu kommen. Es braucht neue Orte und neue kreative Formate, um die Beteiligung gesellschaftlicher Randgruppen zu ermöglichen. Wir suchen diese aktiv in Demokratielaboratorien.

Konkret beteiligen wir Betroffene

  • bei unseren großen Nichtwählerstudien. Hier waren Betroffene die tragenden Säulen und wurden in Forschung und Aktion umfänglich einbezogen.
    Mehr unter: https://studie-nichtwaehler.de
     
  • bei Gesprächen mit Politikern/-innen, bei denen langzeitarbeitslose und armutserfahrene Menschen einbezogen werden, weil miteinander reden immer besser ist als übereinander reden.

  • bei der Gestaltung und Durchführung der „Pro Arbeit sozial“ und das seit vielen Jahren. Dort helfen wir ihnen, ihre Anliegen und Forderungen politisch Verantwortlichen und der Öffentlichkeit vorzutragen.

  • beim Schreiben von Geschichten in unseren Themenheften.
    Mehr unter https://neuearbeit.de/geschichten

  • bei der Entwicklung neuer Beteiligungsformate

  • bei der Neukonzeption und Verbesserung von Arbeitshilfeprojekten

  • bei Bürgersprechstunden, die von Betroffenen selbst organisiert, gestaltet und moderiert werden

Trotz allem stehen wir erst am Anfang. Es fehlt noch eine feste und systematische Verankerung der Beteiligung Betroffener in unseren Strukturen und Prozessen. Beteiligungskultur ist noch nicht fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Aber wir arbeiten daran, weil uns der Rat und die Expertise der Betroffenen wertvoll sind.

Zum Weiterlesen:
Ein Plädoyer für die Einbeziehung Betroffener in Forschung und Aktion.
https://studie-nichtwaehler.de/downloads/Unerhoert-Langzeitarbeitslose-Nichtwaehler-melden-sich-zu-Wort.pdf Seiten 206 – 219

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Viele sagen, dass das Christliche im Arbeitsalltag der Neuen Arbeit kaum sichtbar ist. Aber wenn man genauer hinschaut findet sich das Christliche an vielen Stellen.

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  • Am Empfang der Neuen Arbeit in Zuffenhausen gibt es täglich aktuell die Losungen, Gottes Wort für jeden Tag, zu lesen

  • Die Neue Arbeit folgt dem Leitbild der eva-Gruppe, in dem die Grundlagen der diakonischen Arbeit festgeschrieben sind

  • Mitarbeitende werden auf Wunsch seelsorglich begleitet und können Angebote christlicher Bildung sowie Zeit für Besinnung und Stille in Anspruch nehmen

  • Immer wieder feiert die Neue Arbeit mit Stuttgarter Kirchengemeinden Gottesdienste

  • Die Neue Arbeit beschäftigt Diakone und Diakoninnen

  • Bei verstorbenen Mitarbeitenden wird der Abschied begleitet

  • Pfarrer Klaus Käpplinger ist Aufsichtsratsvorsitzender der Neuen Arbeit

  • Die Neue Arbeit ist Mitglied bei der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, die in Kursen Grundlagen des christlichen Glaubens an interessierte Mitarbeitende vermittelt

  • Die Neue Arbeit nimmt regelmäßig am Evangelischen Kirchentag teil

Das Christlich-Diakonische im Arbeitsalltag der Neuen Arbeit wird nicht nur in all den äußeren Zeichen sichtbar. Wesentlich spürbar wird es im täglichen Miteinander und gemeinsamen Arbeiten,

  • wenn Mitarbeitende in den Sozialkaufhäusern, Fahrradstationen und im Recycling ihren ökologischen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung leisten.

  • wenn Küchenchef Anselm Köchert an das Gute im Menschen glaubt und den Menschen immer wieder die Chance gibt wiederzukommen, auch wenn sie Mist gebaut haben.

  • wenn Geschäftsführer Marc Hentschke sagt: „Wir müssen uns täglich erarbeiten, dass wir die Werte, die wir verkörpern wollen, auch wirklich verkörpern.“

  • wenn EUTB-Beraterin Ellen Keune auf Augenhöhe berät, sie nicht Superheldin sein will, und Jesus ihr dabei Vorbild ist

  • wenn Diakon Roberto Anaclerio glaubt, dass die Arbeit besser ginge, würden wir Gott bei der Neuen Arbeit mehr ins Spiel kommen lassen

  • wenn Beraterin Ingrid Dorsch das urdiakonische Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ lebt, indem sie sagt, dass sie von den Menschen erwarte, für sich selbst etwas zu tun.

  • wenn CAP-Bezirksleiter Burim Sabani davon überzeugt ist, dass wir wirtschaftlich erfolgreicher sind, wenn wir gut mit den Menschen umgehen

  • wenn Personalfachkauffrau Dorothea Ambros sagt „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du“ und ihr das hilft, Verständnis aufzubringen, wenn sie jemand aufregt oder nervt.

  • wenn Werkstattleiter Necdet Akalin daran erinnert, dass die Christen die Nächstenliebe nicht gepachtet haben und Mitgefühl und Barmherzigkeit eine große Rolle im Islam spielen

  • wenn Fachbereichsleiter Martin Tertelmann Betroffene beteiligt, weil er weiß, dass es wichtig ist, die zu befragen, die es am meisten betrifft, und wir die Sichtweisen aller Beteiligten brauchen.
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Aus unserem Leitbild

Wir glauben, dass jeder Mensch eine von Gott geschaffene, einzigartige und geliebte Persönlichkeit ist. Dies macht seine Würde aus.

Jeder Mensch hat das Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, auf Individualität und Freiheit, auf Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Jeder hat das Recht, seine Persönlichkeit in Achtung vor sich und den anderen zu entwickeln. Unsere Dienste bieten wir allen, insbesondere hilfsbedürftigen, schwachen und ausgegrenzten Menschen an. Wir unterstützen sie auf ihrer Suche nach einem sinnerfüllten Leben. In der gemeinsamen Arbeit mit ihnen lassen wir uns von der Erfahrung und der Hoffnung leiten, dass Veränderung möglich ist.
Viele Nöte haben auch gesellschaftliche Ursachen. Darum verfolgen wir Entwicklungen aufmerksam, die die Würde des Menschen bedrohen, machen diese öffentlich bewusst und wirken ihnen entgegen.

Dadurch leisten wir einen wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden und zur Lebensqualität aller Menschen im Gemeinwesen. Das vollständige Leitbild finden sie unter:
https://www.neuearbeit.de/ueber-uns/leitbild

Die NEUE ARBEIT bietet jährlich über 2000 Langzeitarbeitslosen, Benachteiligten und Menschen mit Behinderung Chancen, Hoffnung und Perspektiven in zahlreichen Arbeitsprojekten und unterschiedlichen Branchen.


Die Broschüre „Was uns antreibt“ können Sie hier als PDF (5,8 MB) herunterladen.

[In kleineren Mengen bis 10 Exemplare auch als Print-Version bestellbar?]