
„Quo vadis Arbeitsmarktpolitik? Realitäten nach der Bundestagswahl“ lautete der Titel der „Pro Arbeit sozial“ in diesem Jahr. Am 28. Mai 2025 kamen beteiligte Akteure im Hospitalhof Stuttgart ins Gespräch. Wie sollen die von der neuen Bundesregierung bisher formulierten Eckpunkte im Bereich Arbeitsmarktpolitik umgesetzt werden? Und was bedeutet dies für unterstützungsbedürftige Menschen, Sozialunternehmen, Jobcenter und unsere Gesellschaft?
Es ist eine Auseinandersetzung in schwierigen Zeiten, denn weniger Mittel im Bereich Arbeitsmarktpolitik machen die Umsetzung von arbeitsmarktpolitischen Angeboten in den Bereichen Beschäftigung, Qualifizierung und Sprache teilweise unmöglich. Erste Bereiche müssen schließen, Perspektiven für (langzeit)arbeitslose Menschen fehlen. Holger Fuhrmann, Geschäftsführer AG Arbeit in Baden-Württemberg, machte in seiner Begrüßung jedoch Mut: „Es sind schwierige Zeiten, aber wir sind noch da!“ Die Mittelreduzierung hatte auch Auswirkungen auf die Tagung. Die „Pro Arbeit sozial“ konnte in diesem Jahr nur in eingeschränktem Umfang stattfinden. Knapp 200 Teilnehmende zeigten jedoch, wie aktuell und relevant die Arbeitshilfe ist.
Weniger Bürokratie, mehr Qualifizierung und gesundheitliche Unterstützung
Guido Heinemann von der IGELA (Interessengemeinschaft Langzeitarbeitsloser) eröffnete die einleitenden Statements und rief zu mehr Befähigung und weniger Verwaltung auf. Er betonte das Recht auf leistbare Arbeit, inklusive Kinderbetreuung und Hilfe bei psychischen und physischen Herausforderungen.
Eine konkrete Zahl für den Kahlschlag der Politik lieferte Andrea Bartsch, Sprecherin des Fachausschusses Arbeit der „Liga der freien Wohlfahrtspflege Stuttgart“. Sie berichtete, dass es 2025 in Stuttgart lediglich noch 90 Arbeitsgelegenheiten (AGH) gibt, von ehemals bis zu 300. Dadurch würden Menschen nicht nur vermehrt allein gelassen, es fehle auch Personal in wichtigen Einrichtungen der Stadtgesellschaft wie den Fahrrad-Service-Stationen oder den Sozialkaufhäusern.
Janna Czernomoriez vom „Bundesministerium für Arbeit und Soziales“ (BMAS) wies darauf hin, dass die neue Grundsicherung keine Abkehr vom Bürgergeld sei. Neben ihrer Forderung nach Entbürokratisierung in der Arbeitshilfe betonte auch sie die Wichtigkeit von Gesundheit als Vermittlungsfaktor.
Teilhabe als gesellschaftliche Aufgabe
Den regen Austausch in der anschließenden Podiumsdiskussion leitete Moderator und Journalist Joti Fotiadis. Die Teilnehmenden: Janna Czernomoriez (BMAS), Florian Wahl (Landtagsabgeordneter der SPD), Petra Rühle (Stadträtin Stuttgart, Bündnis 90/Die Grünen), Carl Philipp Schöpe (Geschäftsführung Jobcenter Mannheim), Tanja Herbrik (Geschäftsführerin Kreisdiakonieverband im Landkreis Esslingen) und Claudia Wanner (Sprecherin der IGELA). Auch die CDU war eingeladen, nahm die Einladung zur Diskussion aber leider nicht an.
Wanner, die lange Zeit ihres Lebens selber arbeitslos war, räumte eindrücklich mit einem falschen Bild von (Langzeit-)Arbeitslosen auf. „Es sind nicht alle faul, eine individuelle Betreuung ist wichtig. Die Langzeitarbeitslosen, die ich kenne, habe ich alle bei der Arbeit kennengelernt.“
Wie können Maßnahmen zur Arbeitshilfe wirksamer werden? Dass Wirksamkeit eine gesellschaftliche Aufgabe ist, machte Herbrik deutlich. Nicht immer könne Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt das Ziel sein. „Denn nicht alle sind vermittelbar und sie tragen trotzdem einen wesentlichen gesellschaftlichen Beitrag. Der Blick geht bitte auf den Menschen!“ Teilhabe als gesellschaftliche Aufgabe thematisierte auch Florian Wahl. „Wir haben gar nicht den gesellschaftlichen Konsens bisher. Da müssen wir erstmal anfangen. Dann bekommen wir auch das Geld!“
Weitere zentrale Themen des Austauschs waren Sprache und Digitalisierung. Dass die Kürzung von Sprachkursen Sparen an der falschen Stelle bedeutet, darüber herrschte in der Runde Konsens. Und auch wenn die Digitalisierung voranschreitet und viele Vorteile mit sich bringt: Nicht alle profitieren davon. „Digitalisierung geht häufig auf Kosten der Menschen. Ein Großteil kann sie gar nicht nutzen. Die Verantwortung dafür darf nicht an Betroffene abgegeben werden!“, forderte Schöpe. Auch er schloss mit einem ermutigenden Fazit: „Wir müssen zeigen, was möglich ist. Auch in Krisen. Wir haben immer noch ein Angebot!“
Über die Pro Arbeit sozial
Die Stuttgarter Arbeitshilfeträger und Verbände aus dem Bereich Arbeitshilfe veranstalten einmal im Jahr die bundesweit einmalige Fachtagung „Pro Arbeit sozial“. Dort stehen die arbeitsmarktpolitischen Themen für eine gelingende Integration erwerbsloser Menschen auf der politischen Agenda.
Weitere Infos finden Sie unter proarbeit-sozial.de