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Armin Markmeyer, Fachbereichsleitung Kulturwerk

Zur geplanten Legalisierung von Cannabis, dessen legaler Kauf und Konsum 2023 möglich werden soll, sprachen wir mit Armin Markmeyer, dem Leiter des Kulturwerks. Er hat über Jahrzehnte mit vielen Cannabis-Konsumenten/-innen zu tun gehabt. Wir haben ihn gefragt, wie er die angekündigte Legalisierung bewertet.

Die Cannabis-Legalisierung war ein wichtiges Ziel der Ampel-Koalition. Durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine ist das Projekt in den Hintergrund getreten, rückt aber jetzt wieder in den Vordergrund. Finanzminister Christian Lindner verspricht auf Twitter, dass die Legalisierung 2023 erfolgen soll.
Wie ist Ihre Meinung dazu?


Meine Erfahrungen sind geprägt durch Menschen, die damit Probleme haben und intensiv Cannabis konsumieren, die also täglich konsumieren. Und da redet man schon von Abhängigkeit, wenn jemand täglich kifft. Ein Joint kostet mindestens einen Zehner, das macht im Monat auch 300 Euro.

Wir haben im Kulturwerk viele, die durch frühen und intensiven Konsum, also beginnend ab 14 / 15 Jahren, Probleme in der Schule, in Beruf und Studium haben. Der Cannabiskonsum unterstützt keine gute Entwicklung. Es gibt psychosoziale Faktoren, die eine Rolle spielen, aber Cannabiskonsum schränkt die Menschen in ihrer schulischen und beruflichen Laufbahn ein. Es hat negativen Einfluss. Man weiß, dass es aufs Kurzzeitgedächtnis geht, auf die Motivation aufzustehen und Regeln und Verbindlichkeiten einzuhalten. Wir haben, wenn wir Leute, die kiffen, in die Ausbildung nehmen, immer die gleichen Probleme mit Pünktlichkeit und Regeln. Sie schaffen es nur schwer pünktlich zu kommen, woanders wären sie schon längst rausgeflogen. Wir federn das dann ab mit Angeboten. Wir fragen: „Du willst diese Ausbildung machen? So kriegst du das nicht hin. Was machen wir dann?“ Man weiß auch, dass im Jugendalter, bei der Entwicklung des abstrakten Denkens Cannabiskonsum nachgewiesenermaßen großen Einfluss hat. Da gibt es eine große Aufgabe für das Gehirn im Jugendalter. In der Pubertät werden Moral und Ethik entwickelt. Das ist nochmal ein ganz neuer Prozess fürs Gehirn und dabei stört Cannabis bei der Konstitution eindeutig. Da werden dann Vernetzungen nicht durchgeführt und man hat dann bei diesen Menschen, wenn sie älter werden, das Gefühl, dass irgendetwas im Sozialverhalten nicht stimmt. Es gibt so ein typisches Verhalten von Kiffern, die zu früh angefangen haben, intensiv zu kiffen. Da fehlt dann eine soziale Entwicklungsstufe.


Und wie macht sich das bemerkbar?

Schwierigkeiten Regeln einzuhalten, überhaupt eine innere Haltung zu Moral und Ethik. Ich sage es ganz offen, das haben die nicht, das ist denen wurscht. Da gibt es auch Untersuchungen drüber, dass sich gewisse Synapsen nicht entwickelt haben. Jugendliche denken ja so nach, über Gott und die Welt, und diese wichtigen Nachdenkphasen werden dann zugekifft. Das ist eine Seite. Es gibt natürlich auch viele andere Seiten und Verläufe, wie zum Beispiel Gelegenheitskonsument/-innen, die nicht abhängig sind, die hin und wieder kiffen.

Dass man sich den Stoff schwarz kaufen muss, ist absurd, weil, wenn man erwischt wird, es weitreichende Folgen haben kann für alles Mögliche. Ich spreche jetzt über die Konsumenten/-innen, nicht über die Dealer/-innen. Diese Kleinverfolgung bringt nichts, die reibt das System nur auf. Was wir hier bei „Arbeit statt Strafe“ aus diesem Deliktkreis haben, ist enorm. Und es wird auch nicht gelernt daraus, die kiffen ja weiter. Das Verständnis für eine Gesetzesübertretung ist doch gering. Man muss auch sagen, jeder verträgt Cannabis anders, bei einem geht es mehr, bei dem anderen überhaupt nicht auf die Psyche. Es ist wie beim Alkohol. Manche werden schneller süchtig, andere überhaupt nicht. Man muss da auch immer im Einzelfall schauen. Es gibt Genusskiffer, aber es gibt auch welche, die kiffen, weil sie psychosoziale Problemlagen haben.

Bei Intensivkiffern kann es bis hin zur Psychose gehen. Man muss wissen, dass der Stoff hochpotenter geworden ist. Das Kraut, was man in den 70ern geraucht hat, hat mehr Kopfschmerzen gemacht als gewirkt und ist nicht vergleichbar mit dem Cannabis von heute, wo der THC-Anteil, also der berauschende Stoff, viel höher ist. In Ländern, wo Cannabis legalisiert ist, wird der THC Anteil angegeben. Ein Kiffer kann das dann einschätzen. Das ist wie der Unterschied bei Bier und Schnaps. Da wissen viele nicht, was sie sich reinziehen.


Würden Sie es legalisieren, wären Sie dafür?

So einfach auf keinen Fall.


Wenn ja, wie?

Die Diskussion ist nicht beendet. Wenn ja, dann muss es bundesweit einheitlich laufen, also Bayern muss auch mitmachen, sonst fahren die alle nach Baden-Württemberg. Ich würde den eigentlichen Konsumenten nicht mehr verfolgen, das bringt nichts.
Es muss nach wie vor Verbote geben. Zwischen 16 und 20 Jahren ist die Kifferei am gefährlichsten, da muss noch viel aufgeklärt werden, und zwar gnadenlos wie auf den Zigarettenpackungen. Den Kauf von kontrolliert angebautem, nicht angereichertem Cannabis in beschränkten Mengen auf Nachweis, zum Beispiel in Apotheken halte ich für keinen schlechten Schritt. Es muss immer klar bleiben, dass Cannabis ein Mittel ist, das nicht gesundheitsförderlich ist.


Wäre eine Legalisierung für die Teilnehmenden mit Drogenproblemen hier im Kulturwerk eher von Vorteil oder eher zum Nachteil?

Für ein paar Leute, von denen ich weiß, die kiffen aber nicht zu intensiv, bei denen es keine großen Auffälligkeiten gibt, die ein gewisses Alter haben, sind zum Beispiel 50, die das im Griff haben, für die fände ich es besser. Denn die müssen immer irgendwo hin und illegal kaufen und sich darum in eine gewisse Szene begeben, in der sich die Dealer/-innen bewegen, das hat einen schädlichen Einfluss. Mit der Legalisierung würden der Schwarzmarkt und die Schattenseiten der Beschaffung wegfallen, das wäre positiv. Weil die größte Nebenwirkung ist eigentlich die Schattenkriminalität.

Cannabis kann eine Einstiegsdroge für härtere Drogen sein, denn Dealer bieten oft die ganze Palette an. Die illegale Beschaffung ist ein ziemlicher Aufwand und bindet sinnlos Energien und Kraft.


Was ist gefährlicher: die legale und akzeptierte Volksdroge Alkohol oder Cannabis?

Alkohol ist von den ganzen Nebenwirkungen viel härter. Die körperlichen Schäden von Alkohol sind immens, mit allen gesundheitlichen und sozialen Schäden und Begleiterkrankungen. So viel kiffen kann man gar nicht. Cannabis geht nicht so auf die Leber. Wäre Alkohol heute erst erfunden worden, bekäme er nie eine Zulassung.

Das Gespräch führte Martin Tertelmann